Die Nacht der Schakale
Hilfsdienste leisten konnten.
Sie hielten sich im CIA-Besucherheim auf dem Kasernengelände auf, dessen Gastlichkeit sonst sehr geschätzt wurde, zumal das Haus über einen wirklich fabelhaften Küchenchef aus Paris verfügte. Der Meister des Kochlöffels war verärgert, weil seine Gäste so appetitlos in den zarten Medaillons herumstocherten, als hätte er ihnen Hamburgers aus der nächsten Pommes-frites-Bude vorsetzen lassen.
»Vielleicht sollte ich Ihnen das sagen, Peter«, bemerkte der Amerikaner zu seinem deutschen Kollegen und zog eine Karte aus dem Ärmel, »Lefty und die Diplomatin – ich will mich mal zurückhaltend ausdrücken – kennen sich bereits seit einiger Zeit.«
»Von drüben?« fragte der BND-Mann. »Als wir die tüchtige Dame vor kurzem für vierzehn Tage an die Agency ausgeliehen hatten?«
»Nicht von drüben«, erwiderte der Amerikaner, »aber wir hatten sie tatsächlich zusammengeführt. Es war Gregorys Idee; er meinte, es könnte im Lauf der Operation Sperber eine Situation eintreten, in der Vertrauen zwischen zwei Menschen wichtiger ist als alle Gewohnheiten der Branche.«
»Ich wußte gar nicht, daß Ihr Chef ein Romantiker ist«, versetzte der Mann aus Pullach.
»Ist er auch nicht. Sie können sich darauf verlassen, daß er mit dem Computer die beste mehrerer Möglichkeiten ausgewählt hat«, antwortete Steve.
Der nach Berlin delegierte Ressortchef der Zentrale in Pullach wurde ans Telefon gerufen. Steve Cassidy überlegte solange zwecklos, wie sich Gregorys Computer-Kuppelei auf den Verlauf der Aktion auswirken könnte. Als positiv unterstellte er, daß der Freund auf die zeitraubenden Abklärungen verzichten durfte, die bei dem Zusammentreffen mit einer Unbekannten im Ostsektor sonst unerlässlich waren. Andererseits war Lefty ein heimlicher Moralist, eine Mischung von Robin Hood und Michael Kohlhaas, der sich sein Denken und Fühlen ungern von Chips und Bits vorschreiben ließ. Er galt als tüchtig und als schwierig, und einige im Headquarter Langley – Allesmacher, Nichtdenker, Menschenroboter – hätten sein Ausscheiden aus dem Geheimdienst gar nicht ungern gesehen.
Ritter kam aus dem Nebenraum zurück. »Brosam ist vor zwei Minuten durch die Mauer gekommen«, sagte er. »Vermutlich auf Liebestour, wir behalten ihn im Auge.«
»Selbst wenn der Genosse Kammgarn in den Pyjama umsteigt«, erwiderte der Amerikaner, »kommt er mir jetzt doch ein bißchen zu prompt.«
Es gehörte wohl zu dem Verwirrspiel, das General Lupus betrieb. Konopkas Verhaftung müßte im Osten gewaltige Nachwehen haben, sowie sie sich herumgesprochen hätte. Information und Desinformation trieben es ohnedies fortgesetzt miteinander. Das abgefeimte, ausgebuffte Spiel ist auf beiden Seiten so perfekt, daß eigentlich nur Außenseiter oder Zufälligkeiten eine Chance haben, wirklich überraschende Ereignisse auszulösen.
Im Fall Lipsky schienen es zunächst drei Gründe zu sein, auf die keiner so leicht käme: eine hässliche Frau, eine eklige Stieftochter und ein missratener Sohn. Die Familie hatte seit Jahren Lipskys Flucht an den Schreibtisch der Normannenstraße erzwungen. Dazu die Misere mit der albernen Krankheit, die der Sachse dramatisierte, indem er sich als Patient falsch verhielt. Dazu, rechtzeitig angekommen, ein Artikel aus ›Readers Digest‹ über Operationen in der Mayo-Klinik, der dem Chef der Stasi-Datenbank wahrscheinlich von seinen Gegnern zugespielt worden war.
An jedem Arbeitsplatz gibt es Frustrationen. In der Position eines stets kontrollierten Überwachers mußte die Situation in der Spionagefabrik mit der Zeit unerträglich werden. Plötzlich war alles zusammengekommen; es konnte durchaus bei Lipsky den spontanen Entschluß gezündet haben, den ganzen Krempel hinzuwerfen und in ein neues Leben umzusteigen.
Es konnte so gewesen sein – aber mußte nicht.
Lefty war in einer schwierigen Lage. Er hatte nicht viel Zeit, sich schlüssig zu werden, ob Phimoses einen besonders raffinierten Hinterhalt gelegt hatte oder dem Westen eine einmalige Chance bot.
Schon Konopka wäre das Geld wert gewesen, das man ihm nicht mehr auszahlen konnte; aber der Chef der HVA-Abteilung Polit-Spionage und Dokumentation müßte noch weit interessanter sein, für Langley wie für Pullach, die NATO und den Westen schlechthin. Der Spezialist verwaltet ein Wissen, das Konopka ihm erst hätte stehlen müssen. In Großbritannien zum Beispiel war zur Zeit ein in der Öffentlichkeit bewußt
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