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Die Nacht der Uebergaenge

Die Nacht der Uebergaenge

Titel: Die Nacht der Uebergaenge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: May R. Tanner
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nicht bei einem privaten Gespräch zwischen Mutter und Sohn
lauschen wollte.
„Du bleibst! Ich fasse es nicht! Ihr steckt alle unter einer Decke! Und Leugnen
ist zwecklos! Ich habe dir gerade deine Gefühle abgenommen! Seid ihr von allen
guten Geistern verlassen?!“, zischte die zierliche Blondine aufgebracht, deren
blitzende Augen nun denen von Ash noch mehr ähnelten.
    „Mutter, bitte! Kein Wort! Niemand außer den Kriegern weiß
es! Ich möchte nicht, dass sie es erfährt, hat sie nicht schon genug
durchgemacht? Lass ihr doch den Frieden, den sie bei den Tri’Oras gefunden
hat!“
Ash kam sich vor, als würde er auf Glas kauen, weil er auf keinen Fall wollte,
dass seine Mutter sich mit der grausamen Tat, die ihr geschehen war, auseinander
setzen musste. Er wollte nicht, dass sie daran denken musste, was zwangsläufig
geschah, wenn sie über Wendy diskutierten. Er versuchte, an die geschundene
Gestalt zu denken, die sie damals aufgefunden hatten, doch er sah nur noch das
überirdisch schöne Antlitz vor sich, das echte Freude ausstrahlte, nachdem
Orsen sie ebenso liebevoll wie ein Familienmitglied begrüßt hatte. Gott, sie
war ein funkelnder Diamant, dessen Glanz alles hier überstrahlte!
    Gwen schnappte nach Luft und atmete dann tief durch, um nicht
hier vor allen Leuten die Beherrschung zu verlieren.
„Ashur… Ray! Ihr glaubt doch nicht wirklich daran, dass sie Frieden finden
kann, wenn sie überhaupt nicht weiß, wie ihr geschehen ist? Dazu hätte sie die
Freiheit der Wahl haben müssen und die hast Du ihr genommen, auch wenn aus
selbstlosen Gründen! Ich zweifle nicht an deinen Motiven! Du bist mein Sohn,
ich kenne dich zu gut! Ich weiß genau, was dich angetrieben hat! Es ehrt dich
und die anderen, aber nun hat Thersites den ersten Schritt in die richtige
Richtung gemacht! Vielleicht sollten die Krieger ihrem Beispiel folgen?“
    Ash war zwischen Bewunderung für seine Mutter und dem
Unbehagen gefangen, das ihre begründeten Forderungen in ihm auslösten. Man
hatte sie nicht umsonst zur Diplomatin bestimmt, wenn sie sprach, dann musste
man zuhören, weil ihre Worte meist mitten ins Schwarze trafen. Es musste wohl
daran liegen, dass sie mit den Emotionen ihrer Mitmenschen im Einklang war und
die kleinste verräterische Regung deuten konnte. Ash konnte ja nicht ahnen,
dass Gwen sich immer wieder fragte, ob sie bei ihrem ersten Prozess nicht
kläglich versagt hatte. Acantha war damals viel ausgereifter als sie gewesen,
doch der Rat der Richter hatte ihr nicht zugehört und so waren die Vijayas von
aller Schuld freigesprochen worden.
    „Nicht heute! Das können wir in keinem Fall über Nathans Kopf
hinweg beschließen! Ich sollte vielleicht gehen…“, versuchte Ash, sich
irgendwie mit heiler Haut aus der vertrackten Situation zu retten.
    „Du bleibst! Und das ist keine mütterliche Bitte, Ashur! Ich
unterstütze dich natürlich, aber hier wird niemand mehr davon laufen!
Einhundert Jahre sind genug Zeitverschwendung auch in einem unserer Leben!
Ray?!“
    - Sehr wohl, Devena Gwénaëlle, Ihr Wort ist uns Befehl! -,
gab er sofort nach, weil er wusste, dass Widerspruch zwecklos war. Solange die
Devena Ash in seiner Selbstbeherrschung unterstützte, würde wohl nichts
Schlimmeres passieren, als dass er Kopfschmerzen bekam.
    „Wie Du wünscht, Mutter!“, presste Ash mühsam hervor, den man
selten so folgsam erlebte. Einer anderen Patrona hätte er womöglich
widersprochen, aber niemals seiner Mutter.
    Ash und Ray reichten ihr die Arme, so dass sie von zwei
Kriegern flankiert wurde, die nun auf die Gruppe um Bone zusteuerten. Ash’
Gesicht gefror zur abweisenden Maske, während er die anwesenden Devenas mit
Hochachtung begrüßte, obwohl seine Stimme noch frostiger wurde, als er Devena
Thersites seine Aufwartung machte. Sie war schließlich an allem schuld!
    „Awendela! Du siehst einfach umwerfend aus, wenn ich mir erlauben
darf, das zu sagen“, hörte er seine Mutter sagen, die sich von ihnen gelöst
hatte und auf die junge Frau zugelaufen war, um ihre Hand zu nehmen und sie
ermutigend zu drücken. Sie konnte sehr gut nachfühlen, wie es in ihr aussehen
musste. Ihr erster richtiger Auftritt in der Gesellschaft der Immaculate nach
ihrer selbst auferlegten Verbannung war ihr als ziemlich nervenaufreibend in
Erinnerung geblieben.
    „Ich freue mich sehr, dich in unserer Mitte begrüßen zu
dürfen! Und lass sie nur starren! Auch in unseren Kreisen ist so ein kostbares
Juwel wie Du eine Seltenheit, meine

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