Die Nacht der Uebergaenge
Aus dem kleinen Mädchen von damals war eine begehrenswerte
Frau geworden, die jedem Mann im Saal den Atem raubte. Ein einziger Blick
reichte, um ihr jetziges Aussehen auf immer in sein Gedächtnis einzubrennen.
Sie war eine Göttin und auf ewig unerreichbar für ihn. Sein Herz krampfte sich
zusammen und die Sehnsucht darin war schmerzhaft genug, dass es jeden anderen
Mann auf die Knie gezwungen hätte. Aus jeder Pore seines Körpers quoll die
Antwort auf Wendys Erscheinen, ohne dass er es verhindern konnte, obwohl Wendy
selbst keine direkte Einladung aussprach. Sie reagierte minimal, einfach weil
er in ihrer Nähe weilte. Aber das reichte vollkommen, um ihn an den Rand des
Wahnsinns zu treiben.
„Ash?“
Er spürte kaum die Hand seiner Mutter, die seine genommen hatte, um sie fest zu
drücken. Seine Sinne wurden von dem verheißungsvollen Duft benebelt, der ihn
seit hundert Jahren verfolgte, auch wenn sie nicht in seiner Nähe weilte. Er
war nichts Süßes oder Blumiges. Er war ein wenig bitter und doch löste es in
ihm eine Welle des Begehrens aus, die seinen eigenen Körper zu einer heftigen
Antwort trieb, was seiner Mutter nicht entgangen sein konnte. Verdammt!
Nun legte sich auch noch Rays Hand auf seine Schulter und Ash
wusste, dass er in tiefen Schwierigkeiten steckte. Seine Kiefer fest zusammen
pressend versuchte er, seinen Atem ruhig zu halten und das Aufsteigen des
Biestes in sich zu unterdrücken. Bei Vollmond verlor sogar er noch manchmal die
Kontrolle darüber. Es war alles in Ordnung gewesen, bis er Wendy gesehen hatte.
Was zum Teufel hatte sich ihre Großmutter dabei gedacht,
das einfach ohne Vorwarnung zu tun?!
Ash schnaubte leise und warf aus dem Augenwinkel einen
glühenden Blick in Wendys Richtung, der die Augen aller Männer folgten. Sofort
verspürte er das Bedürfnis, sie alle in Fetzen zu reißen. In diesem Punkt
stimmte er völlig mit Cat überein, er hatte allerdings nicht die Ausrede, ein
Anfänger auf diesem Gebiet zu sein und einfach dem Tier in sich freien Lauf
lassen zu dürfen.
„Oh, Ashur!“, seufzte Gwen bedauernd und drückte seine Hand
fester, bis sie ihm genug Erleichterung verschafft hatte, indem sie seine
heftigsten Empfindungen dämpfte, wie es in ihren Fähigkeiten lag. Es war nur
eine Frage der Zeit gewesen, bis seine Mutter ihn endlich durchschaute. Er
hatte auch ihr niemals erzählt, was damals im Haus der Vijayas wirklich
passiert war.
„Es geht wieder!“, brachte Ash zwischen zusammengebissenen
Zähnen hervor und entwand sich den Griffen der beiden, weil es einfach zu
peinlich für ihn war, die Selbstbeherrschung wie ein Halbwüchsiger zu verlieren.
Das passierte ihm sonst nie. Er hatte gedacht, dass es mit den Jahren besser
werden würde.
- Nathan ist nicht in der Nähe… Er wird es vor Morgen wohl
nicht bemerken, er muss sich um Catalina kümmern! ,- versuchte Ray, ihn zu
beruhigen, aber Ash war schon über den Punkt hinaus, seinen Waffenbruder zu
fürchten. Er würde Wendy niemals schaden oder ihr zu nahe treten, das musste
ihr Vater nicht befürchten. Nicht von ihm. Eher würde er sich selbst richten,
als einer Frau zu nahe zu treten, die schon genug durchgemacht hatte.
Als Ash wieder den Kopf hob, da er das rote Aufleuchten
seiner Augen dank seiner Mutter unter Kontrolle gebracht hatte, sah er Wendy in
der sicheren Umarmung ihres Patenonkels, was ihn weiter beruhigte. Es war
bestimmt nicht ihre Idee gewesen, sich umzuziehen und der Gesellschaft
präsentiert zu werden. Das hier trug eindeutig den Stempel der mächtigen
Patrona des Hauses Draco. Und auch diese Dame wusste nicht, dass er derjenige
gewesen war, der ihre Enkeltochter mit seinem Blut gerettet hatte. Für alle
Beteiligten wäre es besser, wenn sie weiterhin glaubten, dass ihr Patenonkel
das getan hatte, wie es sich gehört hätte.
Wie hätte er ahnen sollen, dass es ihn für ewig an sie
binden würde? Er hatte sie damals kaum gekannt, sie war viel zu jung gewesen, um seine
Aufmerksamkeit zu erregen und zudem die Tochter von Jagannatha. Er war kein
Frauenheld, er erfüllte seine Pflichten, aber er war viel zurückhaltender
gewesen als beispielsweise Damon. Selbst Theron war in jungen Jahren wilder gewesen
als er, wenn er sich die alten Geschichten von Bone anhörte, der gern betonte,
dass Jackie ihn Trampel dem großen Anführer der Warrior vorgezogen hatte.
Duelle im Morgengrauen, das waren noch Zeiten gewesen…
Gwen hielt Ray am Handgelenk zurück, bevor er sich verdrücken
konnte, weil er
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