Die Nacht der Uebergaenge
Hauses und der Segensspruch der weisen Frauen eingraviert
worden war. Nicolasa D' Amores war nach außen hin das zerbrechlichste Wesen,
das ihr bisher in Form einer Breed begegnet war und doch steckte in ihr ein
unglaubliches Potential, das sie nicht annähernd erahnte.
Das war wohl auch der Grund, warum der Aryaner-Lord sie an seine Seite holen
wollte. Es stand noch in Frage, um sie zu einer der ihren zu machen oder nur um
sie zu töten, und somit die Bedrohung ihrer bloßen Existenz damit auszulöschen.
Salama rechnete eher mit Letzterem, da es den Alburas schwer fallen würde,
einen starken Geist wie den von Nicolasa einfach zu brechen. Sie würden so weit
gehen, bis sie tatsächlich unter den erlittenen Qualen starb, weil ihr Körper
früher aufgeben würde als ihr kämpferisches Herz.
„Nimm auf dem Stuhl am Kopfende Platz, dann kannst Du am besten zu allen
sprechen.“
Das Orakel sprach mit besänftigender Stimme, um das Mädchen nicht weiter
aufzuregen. Es hatte eine sehr aufwühlende Nacht hinter sich und brauchte noch
Ruhe, aber manche Dinge sollten am besten gleich verkündet werden.
Vielleicht fand Nicolasa danach ein die nötige Erholung, weil sie die
Stunden nach dem Gespräch zwar in ihrem Zimmer verbracht hatte, aber nicht so
aussah, als hätte sie viel Schlaf gefunden, obwohl sie keine dunklen Ränder unter
den Augen oder sich gar Röte in sie geschlichen hatte. Salama spürte es viel
mehr.
„Die Sophora des Hauses Lovania hatte die Gnade einer sehr
bemerkenswerten Vision, deren Inhalt bedeutsam für uns alle ist, aber besonders
für die hier am Tisch Versammelten. Es ist viel zu früh geschehen, weil es ihr
eigentlich nicht vor der Verwandlung bestimmt war, es schon zu sehen, doch
besondere Umstände haben den Lauf der Dinge verändert… Es war gefährlich für
sie, ein Opferritual an unserem Altar zu vollziehen, obwohl sie durch ihren
Stand jedes Recht dazu hat. Die Kräfte, die bei solchen Erfahrungen auf uns
wirken, können zarte menschliche Körper vernichten. Nicolasa hatte das Glück,
ein reines Herz zu besitzen, das zudem über einen starken Glauben verfügt, sonst
hätte sie der Tod ereilen können. Ich erkläre diese Dinge nur für diejenigen
unter uns, die noch nicht gänzlich mit unseren Riten vertraut sind.“
Hier nickte das Orakel mit einem wohlwollenden Lächeln in Richtung der beiden
Patronas, die jedoch nur äußerst alarmiert in Nicos Richtung starrten, die in
dem gepolsterten Stuhl regelrecht zu versinken schien und ihr Gesicht weiterhin
hinter der weiten Kapuze versteckte.
Salama betonte die Gefährlichkeit des Rituals nicht ohne Hintergedanken.
Hier saßen schließlich die mächtigsten Vertreter ihrer Art am Tisch, die Frauen
für beschützenswerte Wesen hielten. Und Nico weckte viel mehr als andere Frauen
diese Gefühle in den Männern.
Und dann war da noch die Tatsache, dass der Warrior des Hauses Arcus zu wenig
Beschützerinstinkte gezeigt hatte. Salama hatte ihrem Ärger in einem Gespräch
mit ihrer Vertrauten Flavia etwas Luft machen müssen, da es nicht in ihrer
Macht gestanden hatte, das Kind gestern zu retten. Romanas Wohlergehen hatte
Vorrang gehabt. Auf jeden Fall wollte sie noch ein Gespräch mit dem Erzeuger
des Missetäters führen, über dessen Hilfe Nico mit leuchtenden Augen gesprochen
hatte.
„Ich habe ihr das Versprechen abgenommen, mit weiteren Riten zu warten,
bis die Verwandlung vollzogen wurde und ihre Kräfte endgültige Entfaltung
erfahren haben“, fuhr Salama fort, um die Sorgen der jungen Frauen zu
zerstreuen, die eben in ihnen aufgewallt waren.
Theron sah schon so aus, als würde er darum bitten wollen, das Kind zu
dessen Schutz in seinem Zimmer einzusperren, bis die Umwandlung durchgeführt
worden war. Allerdings brachte ihn ein spöttischer Seitenblick seine lauten
Gedanken zum Schweigen, da er wohl befürchtete, sich als Freiwilliger für diese
Aufgabe melden zu müssen. Dabei war er der Letzte, den Salama dafür ausgesucht
hätte. Nicolasa brauchte zwar einen Beschützer, doch Theron würde vor dieser
kleinen Person allzu schnell kapitulieren, auch wenn er anderer Ansicht war.
Die Feder war schon immer mächtiger als das Schwert.
Nicolasa wusste nicht um ihre Macht, mit einem Blick oder einer kleine Geste
den stärksten Mann in die Knie zu zwingen. Vielleicht würde sie das auch nie
erfahren, weil sie kein berechnendes Wesen besaß. Manche der Krieger mochten
diese Kraft in ihr erahnen und wurden in ihrer Gesellschaft unruhig, ohne
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