Die Nacht der Uebergaenge
ihr Romys erschrockener Blick auf
sich gerichtet ihr unangenehm war. Die Wunden auf ihren Handflächen waren zum
Glück von Blake geheilt worden und doch kam es ihr vor, als würde sie immer noch
innerlich bluten. Sie wollte zurück an ihren Platz gehen, doch Salama hielt sie
am Handgelenk zurück, nur ganz sanft aber dennoch wagte Nico nicht mehr, sich
wegzurühren. Sie spürte, dass die Vision etwas Besonderes offenbart hatte.
Dinge, die sich ihrem Bewusstsein noch entzogen, da das Orakel ihr bei ihrer
Unterredung am Morgen die Bedeutung der Bilder nicht erklärt hatte.
„Das Feuer geflankt von der Luft, die es nähren und dem Wasser, das es
löschen oder eindämmen kann… Die Mutter Erde, die den flüchtigen Elementen ein
Heim und Halt gibt. Gemeinsam erschaffen sie den ersten Bund… Nico, wer hielt
das vierte Schwert?“, fragte das Orakel und sah ihr dabei tief in die weit
aufgerissenen Augen.
„Ich stand nicht bei ihnen… Ich war nur ein Sehender! Ich würde es doch
gar nicht wirklich halten können“, versuchte Nico, sich herauszureden, der die
Worte des Orakels Angst machten, wie um es zu beweisen, nahm sie den Griff des
Schwertes und konnte es kaum vom Tisch anheben. Sie war viel zu schwach dazu.
„Ich hielt es in der Hand die Spitze über mich gen Himmel gereckt…“, gab
sie dann zu, als niemand ein Wort sprach und sie die erwartungsvolle Stille
nicht mehr aushielt.
Sie war doch nur ein kleiner Niemand, sie betrachtete sich nicht mehr
ihrer Aufgabe würdig. Die Götter sollten sie doch bestrafen und nicht mit einer
so wichtigen Vision belohnen, die ihr nur die unerwünschte Aufmerksamkeit von
so vielen bedeutenden Immaculate eintrug. Dabei wollte sie sich nur irgendwo
verkriechen. Das war wohl ihre verdiente Strafe, in seiner Nähe zu sitzen und
sich keine Blöße geben zu dürfen. Ein einziges Mal war sie ob ihrer hellen Haut
dankbar, weil sie sonst jedem verraten hätte, wie auch nur ein kleiner
Seitenblick in seine Richtung wie eine glühende Klinge in ihr Herz drang.
Nicos Kehle schnürte sich zu, als das Orakel sie nach einem sanften Kuss auf
ihre Stirn aufforderte, sich wieder auf ihren Platz zu setzen. Während sie mit
kleinen hastigen Schritten an den Kriegern vorbei eilte, zog sie die Kapuze
wieder über den Kopf. Die liebevolle Geste des Orakels war beinahe mehr, als
sie heute noch ertragen konnte. Sie war nur der Bote einer Vision, sie könnte
niemals ein Schwert dieses Gewichtes halten. Es war einfach… unmöglich ,
was auch immer das bedeuten mochte.
„Der Septentrio *
geht eine Quadruga **
voraus, Nico! Feuer, Wasser, Luft und Erde sind die ersten, die berufen werden.
Und Erde, das bist Du! Das Gewicht des Schwertes wird dir nach der Verwandlung
keine Schwierigkeiten mehr bereiten!“, verkündete das Orakel just in dem Moment,
als sich Nico setzen wollte, so dass sie wenig grazil auf die Sitzfläche fiel,
weil ihre Knie auf einmal weich wie Pudding geworden waren. (*Septentrio =
Siebengestirn; **Quadruga = Vierergespann)
Ihre Hände umspannten mit festem Griff die beiden gedrechselten Lehnen
des Stuhles und sie starrte Salama Harpia vollkommen fassungslos an. So wenig
sie sich in den intimeren Gebräuchen der Immaculate auskannte, so sehr waren
ihr diese Begriffe durch Mélusinas Erzählungen
geläufig. Aber das konnte nicht sein, dass ausgerechnet sie Teil eines solchen
Wunders sein sollte. Wieder und wieder ging ihr das Wort unmöglich durch den Kopf.
„Genauso begann es auch mit Theron, Nathan, Chryses und Orsen. Feuer,
Wasser, Luft und Erde… Euch Kriegern und dir, Nico, muss ich das wohl nicht
erläutern, nicht wahr?“
Das Orakel wandte sich an Nathan, der ebenfalls wie vor den Kopf
geschlagen wirkte.
„Du kannst sehr stolz sein, dass deine Tochter denselben Platz einnehmen wird,
den Du so vortrefflich ausfüllst! Bevor ich sie kommen lasse, sollte jemand den
Unwissenden die Bedeutung dieser Vision erklären! Nico?“
Diese suchte automatisch Catalinas Blick auf, deren Augen voller
Wissensgier funkelten, als ahnte sie, dass die Eröffnung ihr gefallen würde.
Nico hatte niemals angenommen, dass die Bilder ausgerechnet diese Bedeutung
haben würden.
„Die bestehenden Warrior werden durch Geburt berufen, das Schicksal des
Kriegers wird ihnen in die Wiege gelegt. Wie das ehrenwerte Orakel gesagt hat,
beginnt es mit einem Vierergespann, das die vier Elemente vertritt, die eine
große Rolle beim Initiationsritus der Warrior spielen… Die Vier gemeinsam sind
schon
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