Die Nacht der Uebergaenge
würde. Die sollte in keinem Fall ein solcher Reinfall
wie bei ihr werden.
Romy
schob den Laptop von sich, weil sie sich nicht länger auf den Inhalt der
ausführlichen Textdatei konzentrieren konnte. Finanzwesen war nicht unbedingt
ein Thema, das einen erfolgreich von Liebeskummer ablenken konnte. Sie verzog
den Mund, als hätte sie in eine saure Zitrone gebissen, weil ihre Gedanken sich
mal wieder in eine sehr unwillkommen Richtung selbstständig gemacht hatten. Sie
wusste doch gar nicht, wie sich das anfühlen würde, weil sie noch nie jemanden
geliebt hatte außer ihrer kleinen Schwester. Das waren nur die Hormone, die in
ihr verrücktspielten. Die Umwandlung brachte alles durcheinander, sie würde die
nächsten Tage gar nicht objektiv beurteilen können, wie es ihr ging. Das war
bestimmt wie bei Schwangeren, die Zustände bekamen, ohne zurechnungsfähig zu
sein. Sie musste einfach nur abwarten, um wieder zu Verstand zu kommen.
Als die
Tür zu ihrem Laden aufgestoßen wurde, sah Romy fragend auf, um sich mit einem
kleinen Rotzlöffel konfrontiert zu sehen, dessen sommersprossiges Gesicht
blutrot angelaufen war. Romy schätzte ihn auf acht oder neun. Er war niedlich
mit den dunkelroten Haaren, die unter seiner Baseballmütze hervorquollen. Sie
konnte gar nicht anders, als ihn erfreut anzulächeln. So könnte Catalinas und
Nathans Sohn einmal aussehen. Aber gab es in der Welt der Immaculate überhaupt
Sommersprossen?
Der
kleine Bursche nahm einen tiefen Atemzug und schien seinen ganzen Mut zusammen
zu nehmen.
„Sind Sie wirklich ein Tetektiv?“, fragte er atemlos und warf ihr einen
argwöhnischen Blick zu, als würde er ihr Geschlecht gegen den Schriftzug auf
den Fenstern abwägen.
Romy
setzte sofort eine geschäftig ernste Miene auf.
„Ja, das bin ich! Komm doch näher und nimm Platz. Du siehst aus, als könntest
du Hilfe brauchen. Ich bin übrigens die Besitzerin des Büros und heiße Romy
Kiss. Und wie heißt du denn?“
Der Junge
grinste schief und holte die rechte Hand hinter seinem Rücken hervor, um seine
Mütze abzuziehen und sich auf den Besucherstuhl zu setzen.
„Bennie… Bennie Markowitz, M'am! Sie sind aber eigentlich viel zu hübsch, um
ein Tetektiv zu sein!“, platzte es dann aus ihm heraus, so dass Romy Mühe
hatte, nicht laut in Lachen auszubrechen.
Er hatte vorn eine große Zahnlücke, die ihn ordentlich lispeln ließ und das für
ihn schier unaussprechliche Wort kam immer mit ordentlichem Drive heraus.
„Lass
dich nicht täuschen, Bennie. Die bösen Buben haben das früher auch immer
geglaubt und trotzdem habe ich sie festgenommen. Ich war früher bei der
Polizei. Ja, wirklich! Sergeant Kiss, meldet sich zum Dienst!“, erzählte Romy
bereitwillig und salutierte zum Spaß vor ihm. Der Bengel war einfach zu
niedlich. Es gefiel ihr, dass er seine Angst überwunden hatte, um sich in die
Höhle des Löwen zu wagen.
„Wie kann ich dir helfen?“, fragte sie in einem aufmunternden Tonfall, ohne
seine Gedanken zu lesen, weil es ihr unpassend vorgekommen wäre. Er war ja nur
ein kleiner Junge, von dem keinerlei Gefahr ausging.
Der Junge
zog seine Unterlippe zwischen die Zähne und schien zu überlegen, ob er sie mit
seinem Problem behelligen durfte. Der andere Arm, den er bisher vor ihr
verborgen hatte, wurde hervorgezogen und von seiner linken Hand baumelte eine
rote Hundeleine. „Snoopy ist davon gelaufen! Ich kann ihn nicht mehr finden!
Ich hab ihn unbedingt allein ausführen wollen und meiner Mom versprochen, ihn
nicht von der Leine zu lassen, aber es macht ihm halt großen Spaß, über die
Wiese zu tollen… Ich hab nur zwei Sekunden nicht hingesehen, weil… ich hab mir
ein Eis geholt“, gestand der Junge kleinlaut und seine Augen leuchteten
verzweifelt auf.
„Oh, ich
verstehe!“, erwiderte Romy mitfühlend, weil sie seine Angst und seinen
Verlustschmerz körperlich fühlen konnte. Sie erhob sich von ihrem Stuhl und
ging neben ihm in die Knie, um unauffällig nach der Leine zu greifen. Sie würde
bald alles wissen, was nötig war.
„Das ist
natürlich ein Notfall, um den ich mich gleich kümmern werde, Bennie! Mach dir
nicht zu viele Sorgen, ich finde Snoopy! Ganz bestimmt!“
Sie lächelte Bennie zuversichtlich an, der sie aus großen Kulleraugen so
hoffnungsvoll ansah, dass sie ihm bestimmt alles versprochen hätte, um ja sein
kleines Herz nicht brechen zu müssen. Nur zu seiner Beruhigung ließ sie sich
die Einzelheiten erzählen, obwohl sie nun schon wusste, dass der Hund
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