Die Nacht der Uebergaenge
Nana, aber ich bin ja auch ihre Großmutter. “
Dabei sah Nathans Mutter keinen Tag älter aus als Ende Vierzig.
Thersites
hob ihre rechte Hand an Catalinas Wange und strich liebevoll darüber.
„Hach, gleich kommen mir die Tränen vor Rührung.“ Sie schluckte tatsächlich
schwer und in ihren Augen glitzerte es verräterisch, obwohl sie sich selten
emotionalen Dingen hingab. Bei ihrer Familie jedoch wurde sie weich und
umgänglich. Cat gehörte jetzt dazu. Sie liebte Familienzuwachs. Catalinas
hervorragende Gesundheit würde sicher etwas dazutun, damit dieses Gefühl der Freude
noch eine ganze Weile anhielt.
Um nicht doch noch in Tränen auszubrechen und in Erinnerungen daran zu
schwelgen, wie sehr sie es genossen hatte, selbst Kinder auf die Welt zu
bringen und großzuziehen, wandte sie sich Wendy zu. Catalina hatte schließlich
einen Mann an ihrer Seite, der sie unterhalten würde. Ihre Enkeltochter dagegen
zog es vor, allein zu bleiben. Nicht mal die Gesellschaft des jungen Chryses
konnte sie begeistern. Kein Wunder, in diesem Schwarz, das sie trug konnte ja
keinerlei Partystimmung aufkommen.
Was meinte
die Dame eigentlich damit, was für eine Nacht heute war? Nathan hatte sicher
nicht vergessen, dass es ihr erster gesellschaftlicher Auftritt war. Daran
würden ihre beständigen Fehltritte nur zu deutlich erinnern.
„Ich… Danke,
das ist sehr freundlich von Ihnen… Ich bin sicher, dass ich ziemlich viele
Fragen habe, mit denen ich nicht immer meine arme Sophora behelligen möchte,
weil sie sonst bald gar kein Privatleben mehr hat“, scherzte Cat atemlos, weil
sie vor lauter Ungläubigkeit kaum zu reagieren vermochte.
Sie hätte von Nathans Mutter etwas mehr Misstrauen oder gar Ablehnung
gefürchtet. Wäre sie voll auf der Höhe gewesen, dann hätte sie nun nach Nico
gesucht, doch die war ja an Raziels Arm in Sicherheit, wenn er Morgen nicht selbst
in der Arena antreten wollte, weil er ihren Schützling irgendwie belästigt oder
beunruhigt hatte.
Sie musste
selbst blinzeln, weil sie es einfach nicht gewohnt war, dass man sie mit
dermaßen offenen Armen empfing. Die Berührung ihrer Wange sandte einen
freudigen Schauer durch sie hindurch, sie wollte ja in keinem Fall, dass Nathan
ihretwegen Probleme in seiner Familie bekam.
Cat kam es bald vor, als würde eine nicht endend wollende Reihe von Menschen an
ihr vorbeiziehen, die ihr ihre Aufwartung machen wollten.
Es war kein
privates Gespräch möglich, das sie auch gar nicht suchen wollte, wenn sie nicht
mit Nathan und Wendy offen sprechen konnte, die nun von ihrer Großmutter mit
Beschlag belegt worden war und die sie nicht mehr im Blickwinkel hatte.
Sie wollte seine Tochter richtig kennen lernen, ohne sich verstellen zu müssen.
Bei einer besonders freundlichen Begrüßung seitens eines Ratsmitglieds, die
ihre Geduld nur weiter strapazierte, so dass sie höfliche Erwiderungen beinahe
nur durch zusammen gebissene Zähne herausbrachte, wurde ihr plötzlich ziemlich
warm.
Eigentlich war ihr schon die ganze Zeit zu warm gewesen, sie hatte es einfach
zu ignorieren versucht. Es war zwar Ende Juni und es herrschten sommerliche
Temperaturen, aber das war irgendwie keine Erklärung für die Gefühle, die
gerade in ihr kochten.
Zuerst schob
sie es auf ihre gerechtfertigte Wut, doch die vermischte sich mit
verstreichender Zeit mit Anwandlungen von Anschmiegsamkeit, die sie kaum zu
unterdrücken vermochte. Jetzt wäre es bestimmt noch viel unangebrachter
gewesen, Nathan um den Hals zu fallen und ihn vor den Augen der feinen
Gesellschaft zu küssen. Sie schmiegte sich noch enger an seine Seite, obwohl
sie ihm vielleicht dadurch völlig falsche Signale gab. Immerhin war sie doch
eigentlich böse auf ihn.
Hm, nein… Man konnte doch wohl gleichzeitig sauer auf jemanden sein und ihn
am liebsten in die nächste dunkle Ecke zerren wollen, um über ihn herzufallen.
Unter halb
gesenkten Lidern warf sie einen bewundernden Blick zu ihm herauf. Sie hatte ihm
noch nicht einmal gesagt, wie unglaublich gut er aussah. Er mir ja auch
nicht , dachte Cat schmollend, weil sie sich schon wenig mehr Begeisterung
seinerseits erhofft hatte.
Wie gut, dass sie bereits umgewandelt war, sonst würde sie ihre Umgebung sehr
wahrscheinlich mit ihren ambivalenten Gefühlen und Gedanken zum Köcheln
bringen. Das brachte sie dazu, sich nach Romy umzusehen, die sie
eigenartigerweise nicht gedanklich orten konnte.
Cat
entdeckte sie am Arm ihres Vaters. Mein Vater…
Sie erwiderte die Blicke
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