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Die Nacht der Wölfe

Die Nacht der Wölfe

Titel: Die Nacht der Wölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ross
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Eindruck auf sie gemacht hatte, als sie zugeben wollte. Würde es auch bei ihr drei Jahre dauern, bis sie wieder für einen Mann bereit war?, überlegte Clarissa. Im Augenblick war sie fest davon überzeugt, nur Alex lieben zu können – wenn es sein musste, über den Tod hinaus. Alles andere hätte sie als gemeinen Verrat empfunden.
    An Frank Whittler und seinen Komplizen verschwendete sie keinen Gedanken. Die leise Hoffnung auf ein Wunder und ein Wiedersehen mit Alex hatten die Verbrecher vollkommen aus ihren Gedanken verdrängt. Mit Dolly hatte sie nicht einmal über ihn gesprochen. Erst als sie an die Stelle kamen, an der Alex den Fluss überquert und in die Berge gefahren war, kam er ihr wieder in den Sinn. »Frank Whittler soll auch im Norden sein«, sagte sie, »der Marshal hatte ihn fast schon erwischt. Er glaubt, dass sich Whittler und sein Kumpan in einem der Indianerdörfer versteckt halten. Er will bis zum Frühjahr warten, dann kämen sie von ganz allein aus ihrem Versteck. Whittler hasst mich immer noch. Ich glaube, er würde mich erschießen, wenn ich ihm über den Weg liefe. Der ist zu einem kaltblütigen Mörder geworden! Aber er wird seine Strafe bekommen, da bin ich ganz sicher, und wenn er Alex getötet hat, erst recht.«
    Dolly klopfte mit der flachen Hand auf ihre Anoraktasche. »Ich habe einen Revolver dabei, einen sechsschüssigen Colt … Hab ich mir in Dawson zugelegt. Da läuft jeder mit einer Waffe rum. Ich hab sie nie benutzt, aber wenn Whittler dir was tun will, zieh ich den Abzug durch, das verspreche ich dir.«
    »Und ich hab einen Lee-Enfield. Zu zweit schaffen wir ihn sicher.«
    Aber ganz so sicher war sie nicht, und sie war froh, dass Dolly nicht ihre zweifelnde Miene sehen konnte, denn Frank Whittler war sicher gefährlicher als alle Schurken, die jemals Dawson City heimgesucht hatten. Er würde nicht zögern, sie zu erschießen, selbst wenn sie keine Waffe in der Hand hielt.

27
    Sie waren bereits auf dem Yukon River, als sie müde wurden, und schlugen ihr Nachtlager zwischen einigen Bäumen am Ufer auf. Während Clarissa sich um die Huskys kümmerte und ihnen zu fressen gab, stellte Dolly den Schlitten quer und behängte ihn mit einigen Decken, um einen wirksamen Schutz gegen den auffrischenden Wind zu haben. Mit einem Fichtenzweig säuberte sie den Boden notdürftig vom Schnee. Mit der Plane, die sie zum Unterlegen mitgenommen hatten, und in ihren Schlafsäcken würden sie nicht frieren.
    Clarissa hatte von Alex gelernt, wie man ein Feuer in der Wildnis entzündete, und hielt zufrieden ihre Hände über die Flammen, als es endlich brannte. Dolly hatte bereits Feuerholz gesammelt. Sie kochten heißen Tee und wärmten die Hühnersuppe auf, die Clarissa in einem Behälter mitgenommen hatte, ein einfaches, aber wohlschmeckendes Abendessen, das sie sich mit einigen Schokokeksen versüßten. Die Huskys schmatzten ebenfalls zufrieden und gruben sich danach, so tief es ging, in den Schnee, ein sicheres Zeichen dafür, dass es noch kälter werden und vielleicht sogar schneien würde. Die dunklen Wolken, die sich im Norden gebildet hatten, waren bereits bedrohlich nahe.
    Die aufgestellten Ohren ihres Leithundes hinderten Clarissa daran, in ihren Schlafsack zu kriechen. Sie berührte Dolly mit einer Hand und gab ihr durch einen warnenden Blick zu verstehen, leise zu sein. Mit der rechten Hand zog sie vorsichtig ihren Revolver aus der Anoraktasche. Fast ohne einen Laut zu verursachen stand sie auf und blickte sich aufmerksam um. Irgendjemand war in der Nähe. Emmett hatte einen feinen Instinkt und spürte meist als Erster, wenn sie in Gefahr waren.
    Clarissa lief ein paar Schritte und blieb zwischen den Bäumen stehen. Bildete sie sich das nur ein, oder drang plötzlich ein eintöniger Singsang an ihre Ohren? Sie bedeutete ihren Hunden, sich ruhig zu verhalten, und signalisierte Dolly, am Feuer zu bleiben. Auch ihre Freundin hielt bereits ihre Waffe in der Hand. Wie zwei Cowgirls in einer Buffalo-Bill-Geschichte, die von rücksichtslosen Banditen überfallen werden, ging es ihr durch den Kopf. Der Gedanke brachte sie beinahe zum Lachen, obwohl ihre Lage bitterernst war.
    Indem sie behutsam einen Fuß vor den anderen setzte und es möglichst vermied, ein Geräusch in dem verschneiten Unterholz zu verursachen, folgte sie dem geheimnisvollen Gesang. Über einen schmalen Jagdpfad kletterte sie eine Anhöhe hinauf und erreichte ein paar Felsen, die sich wie übergroße Orgelpfeifen aus dem Wald

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