Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Nacht der Wölfe

Die Nacht der Wölfe

Titel: Die Nacht der Wölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ross
Vom Netzwerk:
herumirren … ohne Gewehr.«
    Bones ließ nicht erkennen, ob er sie verstanden hatte, und kehrte ohne einen weiteren Laut in die Dunkelheit zurück. Gleich darauf verschwanden auch die Augenpaare, jedes in eine andere Richtung. Das Rudel würde den ganzen Norden nach ihm absuchen und ihm helfen, nach Hause zu kommen.
    Zufrieden trat sie den Rückweg an. Sie war nie abergläubisch gewesen und hatte nie an übernatürliche Wesen geglaubt, aber Bones hatte sie eines Besseren belehrt, und sie würde immer an ihm festhalten, selbst wenn es unwahrscheinlich war, dass ein Wolf Tausende von Meilen lief, um in ihrer Nähe zu sein, und sich auf seine alten Tage noch ein Rudel suchte. Bei den Indianern hatte sie gelernt, dass es mehr zwischen Himmel und Erde gab, das sich nicht erklären ließ, und Bones gehörte anscheinend dazu. Sie war froh, dass es den Wolf gab, selbst wenn er nur in ihrer Fantasie existieren sollte.
    »Wo warst du denn so lange?«, fragte Dolly, als sie das Feuer erreichte. Die Freundin lag in ihrem Schlafsack, den Revolver in der rechten Hand, und blickte sie erwartungsvoll an. »Sag bloß, du warst wieder auf dem Felsen.«
    »Ich habe mit Alex gesprochen.«
    »Mit Alex?«
    »Hast du denn nicht das Nordlicht gesehen? Ich habe ihm gesagt, dass … dass ich ihn liebe, auch über den Tod hinaus, und dass ich mich freuen würde, wenn er noch am Leben wäre und zu mir zurückkäme.« Wieder verschwieg sie Bones, fragte aber neugierig: »Hast du die Wölfe gehört? Ein Rudel …«
    »Wölfe? Ein ganzes Rudel? Nein …« Sie legte den Revolver nicht aus der Hand. »Meinst du, ich würde sonst so ruhig in meinem Schlafsack liegen?«
    »Vielleicht hab ich mich auch getäuscht.«
    Dolly stützte sich auf einen Ellbogen und blickte sie ernst an. »Mach dich nicht verrückt, Clarissa! Alex ist tot. Daran ändern auch die Träume irgendwelcher Medizinmänner nichts … und deine eigenen erst recht nicht. Du musst die Wahrheit akzeptieren, auch wenn sie bitter ist. Finde dich damit ab! Wie schwer das ist, weiß ich am besten, aber du musst es wenigstens versuchen! Blick immer nach vorn und niemals zurück, sagte mein Opa immer.«
    »Ich versuch’s ja, Dolly. Ich versuche es wirklich.«
    Sie brachen am frühen Morgen auf und verließen den Yukon River gegen Mittag. Clarissa, die wieder auf dem Trittbrett stand, lenkte den Schlitten auf den Trail nach Süden und spürte, wie die Huskys ihre Gangart verschärften. Sie ahnten, dass es jetzt nur noch ein paar Stunden bis nach Hause waren. Clarissa teilte ihre Freude nicht, sie lehnte mit beiden Unterarmen auf der Haltestange und dachte an Alex, der vielleicht irgendwo durch die Wildnis stapfte, hoffte immer noch auf das Wunder, das ihn zu ihr zurückbringen würde.
    Im Osten zeigte sich die Sonne mit einem hellen Schimmer und tauchte das Land in unwirkliches Licht, überzog es mit einem feinen Schimmer, der es friedlicher und sanfter erscheinen ließ, als es wirklich war. Wie täuschend dieser Eindruck war, zeigte sich auf einem langgestreckten Hügel, als wütendes Knurren und Fauchen die Stille zerriss, gefolgt von einem Schrei, der Clarissa zwang, den Schlitten zu bremsen. »Whoaa! Whoaa!«, rief sie. Die Hunde hielten an und drängten nervös zur Seite, nur Emmett blieb standhaft und wandte sich breitbeinig und mit aufgestellten Ohren gegen die Gefahr.
    Dolly schreckte aus dem Halbschlaf und drehte sich erschrocken um.
    »Das war doch ein Schrei! Da ist irgendwas passiert!« Anscheinend hatte sie nur den Schrei, nicht aber das Fauchen und Knurren gehört. Sie stieg an Charly vorbei vom Schlitten. »Das kam von da drüben!« Sie deutete nach Osten, wo sich ein verschneiter Hang zum Waldrand zog.
    Clarissa hatte kein gutes Gefühl, stieg aber ebenfalls vom Schlitten, verankerte ihn und sagte den Hunden, dass sie gleich wieder zurück sein würde. »Wir bleiben nicht lange, Emmett. Wir sehen nur mal nach, was da passiert ist.«
    »Hast du das Fauchen und Knurren gehört?«, fragte sie sicherheitshalber.
    »Fauchen und Knurren? Nein … nur einen Schrei. Da muss jemand böse gestürzt sein. Vielleicht ein Fallensteller oder ein Indianer. Oder meinst du, dieser Whittler ist immer noch in der Nähe?« Sie wollte ihren Revolver aus der Tasche ziehen, ließ es aber, als sie merkte, dass sie beide Hände brauchte, um den steilen Hang hochzuklettern. »Bist du sicher, dass es von dort kam?«
    »Von dort oben.« Clarissa deutete den Hang hinauf. »Hinter den Bäumen ist eine

Weitere Kostenlose Bücher