Die Nacht der Wölfe
verknotete das eine Ende um einen Felsbrocken am Wegesrand, schlang das Seil um seinen Körper und ließ sich wie ein Bergsteiger zu ihr herab. Trotz seines Alters bewegte er sich rasch und sicher. Clarissa spürte seinen Atem, als er neben ihr in die Knie ging, öffnete für einen kurzen Moment die Augen und schloss sie wieder. In ihrer Benommenheit lächelte sie und stammelte: »Alex? Alex, bist du das?«
Der Indianer sagte etwas in seiner Sprache, das sie nicht verstand, und fügte auf Englisch hinzu: »Haben Sie keine Angst! Ich bringe Sie in Sicherheit.«
»Mein Arm … verletzt …«, flüsterte sie.
Der Indianer hatte die Wunde bereits gesehen und war entsprechend vorsichtig, als er sie vom Boden aufhob und sie sich über die Schulter legte. Eine Hand an ihren Beinen, die andere am Rohhautseil, hangelte er sich mühsam nach oben. Ihr verletzter Arm baumelte nach unten, und bei jedem Ruck am Seil schoss neuer Schmerz durch ihren Körper, doch sie hatte schon wieder das Bewusstsein verloren und spürte nichts davon. Oben legte der Indianer sie auf den Schlitten und hüllte sie in Decken ein. Er sprach ein paar beruhigende Worte zu den Hunden.
Mit dem Rohhautseil kehrte er auf den Hang zurück. Er ließ sich zu den Huskys hinunter und redete lange auf sie ein, bevor er sich näher an sie heranwagte. »Der Frau geht es gut«, beruhigte er Emmett und streichelte ihn sanft. »Jetzt müssen wir nur noch euch und den Schlitten nach oben bringen. Ihr werdet mir doch dabei helfen? Ohne euch schaffe ich es nämlich nicht.«
Emmett spürte instinktiv, dass er nichts zu befürchten hatte, und wehrte sich nicht, als der Indianer ihn am Geschirr packte und ihn und die anderen Huskys aus dem Leinengewirr befreite und um den verkrüppelten Baum herumführte. Am Rand einer Schneedüne blieben sie stehen. »Gleich seid ihr dran«, sagte er in seiner Sprache. »Schräg den Hang hinauf! Zwischen den Dünen hindurch! Und nicht anhalten, sonst rutschen wir bis ins Tal hinab.«
Er zog den Schlitten aus dem Schnee und stellte ihn auf die Kufen, verschnaufte einen Augenblick, bevor er rief: »Vorwärts … heya … lauft, lauft!«
Die Huskys schienen nur auf das Kommando gewartet zu haben. Mit vereinten Kräften legten sie sich in ihre Geschirre und zogen den Schlitten an. Emmett vornweg, die Schnauze im Wind und die Ohren nach vorn gestellt wie ein angreifender Wolf, kämpfte er sich den Hang hinauf, gefolgt von den anderen Huskys, die ebenfalls zeigen wollten, was in ihnen steckte, und wohl auch spürten, dass sie nur diese einzige Chance hatten, den Trail zu erreichen.
Der Indianer hatte sich das untere Ende der Rohhautschnur um die Hüften gewickelt und stemmte sich mit der rechten Schulter gegen die Haltestange. Bei jedem Schritt rammte er die Stiefel fest in den Schnee, um einen besseren Halt zu haben, und schob den Schlitten nach vorn. Unablässig feuerte er die Hunde und sich selbst an. »Vorwärts! Nicht nachlassen, immer weiter!« Doch trotz ihrer Anstrengungen kamen sie nur im Schneckentempo voran, der Hang war einfach zu steil, auch wenn man ihn im spitzen Winkel anfuhr, und einmal rutschten sie sogar weg und hatten es nur der Geistesgegenwart des Indianers zu verdanken, dass sie nicht ins Tal hinunterglitten. Im letzten Moment stützte er sich an einem Felsen ab und brachte die Schlitten in tieferen Schnee, wo sie einige Minuten verschnaufen und neuen Mut fassen konnten.
»Gleich sind wir oben!«, rief der Indianer, als sie aus dem Tiefschnee heraus waren. »Nur noch ein paar Schritte! Wir schaffen es … strengt euch an … jetzt!«
Hinter dem Schlitten, auf dem Clarissa lag, erreichten sie den Trail. Der Indianer lehnte sich auf die Haltestange und rang nach Luft, die Hunde blieben erschöpft stehen und brauchten ebenfalls einige Zeit, bis sie wieder einigermaßen bei Kräften waren. So stark hatte sie in letzter Zeit niemand gefordert. Emmett lief zum Schlitten des Indianers und blickte winselnd nach vorn, er machte sich wohl Sorgen. »Es geht ihr gut«, rief ihm der Indianer zu.
Clarissa öffnete die Augen, als sich der Indianer über sie beugte, und brauchte einige Zeit, um sich an ihren Retter zu erinnern. »Sie haben mich …«, flüsterte sie, »Sie haben mich gerettet! Sind … sind meine Hunde noch unten?«
Das faltige Gesicht des Indianers veränderte sich kaum. »Sie sind hinter Ihnen … und der Schlitten auch. Es war ein schwerer Blizzard, nicht wahr?«
»Wer sind Sie?«, fragte
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