Die Nacht der Wölfe
den gesunden Arm aus, um nicht mit dem Kopf gegen einen der zahlreichen Felsbrocken zu prallen. Nach einigen Schritten blieb sie benommen liegen und verlor beinahe das Bewusstsein.
Auf dem Bauch kroch sie zu den Huskys und blieb stöhnend in ihrer Mitte liegen. Durch den Aufprall war der Schmerz wieder stärker geworden und brannte in ihren Adern. Am liebsten wäre sie in tiefer Bewusstlosigkeit versunken, nur um nicht mehr dieses Brennen spüren zu müssen, aber sie wusste auch, wie gefährlich es war, bei diesen winterlichen Temperaturen einzuschlafen. Selbst in ihrer warmen Winterkleidung würde sie nicht überleben.
Sie zwang sich, die Augen offen zu halten, und beobachtete dankbar, wie Emmett sich einen Weg durch den Schnee bahnte und gegen sie drängte. Sein dichtes Fell und sein warmer Körper schützten sie gegen die Kälte. Sie streichelte ihn mit der rechten Hand und bekämpfte tapfer den Schmerz. »Sieht ganz so aus, als säßen wir in der Klemme«, sagte sie. Ihre Stimme klang schon wesentlich fester. »Hast du eine Idee, wie wir auf den Trail kommen?«
Emmett antwortete mit einem leisen Jaulen und mied ihren Blick, als würde er sich schämen, als Leithund keinen Ausweg aus ihrer Lage zu finden.
Bones, schoss es ihr durch den Kopf, du wusstest doch immer einen Ausweg! Du warst immer in der Nähe, wenn es scheinbar nicht mehr weiterging. Wo bist du jetzt? Hab ich dich verloren, Bones? Bitte komm und hilf mir!«
Doch der Wolf ließ sich nicht blicken, und sie blieb allein mit ihrem Kummer. Sie musste selbst einen Weg aus ihrer misslichen Lage finden. Beinahe unmöglich bei den Bedingungen, die ihr das Schicksal stellte.
Sie kniff die Lippen zusammen und blickte zum Trail hinauf. Siebzig Schritte bis nach oben, die Umwege wegen der hohen Schneeverwehungen und die Pausen, die sie wegen ihres verletzten Arms einlegen musste, nicht gerechnet. Den Hang säumten scharfkantige Felsbrocken, und der Untergrund war eisig, jederzeit konnte sie ausrutschen und erneut stürzen. Wie lange würde sie brauchen? Eine Stunde? Zwei Stunden? Noch länger? Und wie lange würde es dauern, bis sie eine Siedlung erreichte oder einen anderen Menschen traf? Mehrere Stunden? Eine Ewigkeit? Doch hatte sie überhaupt eine Wahl?
»Ich werde es wohl allein versuchen müssen«, sagte sie zu den Huskys. Der Schmerz hatte etwas nachgelassen, und sie fühlte sich schon besser. »Ohne fremde Hilfe kommen wir nicht weg. Ich weiß, hier ist es nicht gerade bequem, aber solange ihr nicht an den Leinen zerrt, seid ihr sicher. Euch macht die Kälte doch nichts aus. Ich komme so schnell wie möglich zurück, okay?«
Die Huskys klagten nicht, als sie sich vom Boden hochstemmte und sich mit schlaff herunterhängendem linken Arm durch den Schnee grub. Nur an ihrem bedrückten Blick und ihrer ängstlichen Haltung war zu erkennen, wie sehr sie sich sorgten. Clarissa drehte sich nicht um. Sie war viel zu beschäftigt, auf dem glatten Untergrund nicht abzurutschen und nirgendwo mit ihrem verletzten Arm anzustoßen, um an irgendetwas anderes zu denken. Bei jedem Schritt geriet sie ins Wanken, und als sie stürzte und erneut vom Schmerz übermannt wurde, blieb ihr nichts anderes übrig, als aufzugeben. Sie verlor das Bewusstsein und sank mit geschlossenen Augen in den Schnee, in ihrem Delirium davon überzeugt, dass sie niemals wieder aufstehen würde und den sicheren Tod vor Augen hätte. »Alex!«, flüsterte sie noch, bevor sie bewusstlos wurde.
Sie merkte nicht, wie ihre Huskys schon wenige Minuten später laut zu bellen und zu jaulen begannen, als sich ein Hundeschlitten von Norden kommend über den Trail näherte. Durch das Geheul ihrer Hunde und die Spuren im Schnee aufmerksam geworden, hielt der Musher direkt über ihr und beugte sich neugierig über die Böschung. Ein alter Indianer mit verwittertem Gesicht, die weißen Haare zu langen Zöpfen gebunden und in der traditionellen Kleidung eines Jägers. Seine Hosen und sein Anorak waren aus Karibufell gefertigt, der Pelzbesatz seiner Kapuze stammte von einem Vielfraß. Auch in dem düsteren Licht, das nur von dem reflektierenden Schnee ausging, erkannte er sofort, was geschehen war, sah die Huskys bei der Krüppelkiefer im Schnee und Clarissa weiter oben neben einem Felsen liegen.
Der Indianer reagierte schnell, aber ohne eine hastige Bewegung. Aus dem Vorratssack an seinem Schlitten holte er ein langes Rohhautseil, das er stets bei sich führte, falls die Führungsleine riss. Er
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