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Die Nacht der Wölfe

Die Nacht der Wölfe

Titel: Die Nacht der Wölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ross
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ähnliche Verbundenheit mit der Natur und ihren Bewohnern wie die Indianer und spürten eine tiefe innere Zufriedenheit, wenn sie zu den riesigen Bergen der Alaska Range emporblickten, im Sommer auf einer sattgrünen Wiese mit bunten Wildblumen standen oder im Winter mit dem Hundeschlitten über einen einsamen Trail oder verschneite Hänge fuhren. Sie mochten ihre Blockhütte, ihre Huskys, den Duft der Schwarzfichten.
    »Ich habe nach Ihrem Mann gesucht«, sagte John nach einer längeren Pause, während der sie nur dem Knistern des Feuers gelauscht hatten. Wie die meisten Indianer ging er auf das Thema, das ihn am meisten beschäftigte, erst nach einer längeren Unterhaltung über andere Dinge ein. »Alex Carmack, nicht wahr? Ich war den ganzen Nachmittag unterwegs. Er ist nicht in der Nähe.« Er fischte einen Fleischbrocken aus der Suppe und kaute nachdenklich. »Was ist passiert? Er war bei einem Aufgebot des Marshals, sagen Sie?«
    Clarissa glaubte, dem Indianer und seiner Frau eine längere Erklärung schuldig zu sein, und berichtete von Frank Whittler, wie er sie seit mehreren Jahren verfolgt und sogar schon versucht hatte, sie zu töten. »Frank Whittler ist ein Verbrecher. Er und zwei andere Männer haben eine Bank in Anchorage beraubt und einen Kassierer erschossen. Der Marshal sucht nach ihnen. Gestern … nein, vorgestern kamen unsere Huskys mit dem leeren Schlitten zurück. Ich bin sofort losgefahren. Das Aufgebot ist nach Fairbanks zurückgekehrt, wegen des drohenden Sturms und weil sie neuen Proviant fassen wollten. Ich fuhr weiter … Ich dachte, ich könnte mich irgendwo vor dem Sturm verkriechen.«
    »Nicht auf dem Trail, der an der Felswand entlangführt«, erwiderte der Indianer ruhig. Er hatte die Brühe aufgegessen und reichte den Teller seiner Frau. »Sie glauben, diese Verbrecher verstecken sich hier in den Bergen?«
    Auch Clarissa hatte aufgegessen und stellte den leeren Teller neben ihr Nachtlager. »Ich weiß es nicht. Der Fährtenleser des Marshals fand die Spuren meines Mannes am Fluss, verlor sie aber schon nach wenigen Meilen. Der Schnee hatte sie verdeckt. Ich dachte, ich hätte vielleicht etwas mehr Glück.«
    »Die Verbrecher sind nicht hier.« Es klang sehr sicher und bestimmt. »Wenn sie vom Fluss gekommen wären, hätte ich sie gesehen. Ich bin jeden Tag unterwegs, und es gibt kaum etwas, was mir entgeht. Es sind nicht nur Spuren, auch die Natur gibt mir die Antworten, nach denen ich suche. Der Wind, der mir den Geruch eines fernen Feuers zuträgt. Ein Adler, der zu lange über einer bestimmten Lichtung kreist. Die Helligkeit eines schönen Tages, die sich auf einem Gewehrlauf spiegelt. Drei Männer wären mir nicht entgangen.« Er stopfte seine kurzstielige Pfeife, zündete den Tabak mit einem glühenden Span aus dem Ofen an und paffte nachdenklich. »Wo Ihr Mann ist, weiß ich nicht. Wenn er einen Unfall hatte, kann er eigentlich nicht weit sein. Ich bin alle Trails abgefahren und habe auch den Tiefschnee nach seinen Spuren abgesucht, aber nirgendwo etwas gefunden. Sogar in der tiefen Schlucht einige Meilen nördlich von hier habe ich nachgesehen. Wenn er vom Schlitten gefallen und in die Tiefe gestürzt wäre, hätte ich ihn auch dort gefunden.« Er paffte einige Male. »Es tut mir leid, dass ich Ihnen nichts anderes sagen kann.«
    Clarissa dachte eine Weile über die Antwort des Indianers nach. »Er hat einen Unfall gehabt, oder …« Sie wagte den Gedanken kaum auszusprechen. »… oder die Verbrecher haben ihn vom Schlitten geschossen. Er muss in der Nähe sein. Ich werde ihn auf keinen Fall aufgeben, ich werde weitersuchen!«
    »Mit dem Arm können Sie noch keinen Schlitten steuern und auch nicht auf der Ladefläche mitfahren. Ich werde allein nach ihm suchen.« Er klopfte seine Pfeife aus und lächelte verhalten. »Vertrauen Sie mir! Wenn er in der Nähe ist, werde ich ihn finden. Und wenn er sich noch so gut versteckt hält.«
    Der Indianer machte sein Versprechen wahr. An jedem der nächsten drei Tage fuhr er nach dem Frühstück los und kehrte erst spätabends wieder zurück. Am ersten Abend schüttelte er bedauernd den Kopf. Am zweiten Tag wollte Clarissa, die inzwischen aufgestanden war und sich schon viel besser fühlte, unbedingt mitfahren, doch er wies sie zurück, und Rose legte einen Arm um ihre Schultern und sagte: »Du brauchst noch etwas Ruhe, Clarissa. Vertrau meinem Mann und denk daran, wie er mit seinem richtigen Namen heißt: Läuft-über-den-Wolken. Er

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