Die Nacht der Wölfin
zu gründen, die ihm noch nie etwas anderes eingebracht hatten als neue Freunde und Liebschaften, und im Grunde wollte er auch gar nichts anderes vom Leben. Und wie reagierte Antonio darauf, dass sein Sohn sein Vermögen verschleuderte? Er ermutigte ihn dazu. Antonio hatte erkannt, dass dieser Lebensstil der Einzige war, für den Nick wirklich qualifiziert war, und wenn er ihn glücklich machte und sie ihn sich leisten konnten, warum schließlich nicht? Ich, die ich den größten Teil meines Lebens über gespart und jeden Penny umgedreht hatte, verstand diese Einstellung nicht. Aber ich war neidisch auf sie – weniger auf die Vorstellung, so viel Geld zu haben, dass ich es zum Fenster hinauswerfen konnte, als darauf, in einer Welt aufzuwachsen, in der jemandem meine Zufriedenheit so wichtig war und das, was ich im Leben erreichte, so unwichtig.
Nick fuhr bis an den Rand eines Waldes, den wir schon früher zu diesem Zweck aufgesucht hatten, an einem Schlagbaum vorbei und einen aufgegebenen Forstweg entlang, wobei wir öfter auf dem Boden aufsetzten, als mir lieb war. Mein Auto war nicht gerade in Bestform, und ich hatte den Verdacht, dass die Unterseite inzwischen aus mehr Rost als Stahl bestand. Jeremy hatte schon mehrfach angeboten, den Wagen in Ordnung bringen zu lassen oder mir, noch besser, gleich einen neuen zu kaufen. Ich hatte genug Theater gemacht, dass er nicht ernsthaft in Versuchung war, mich mit einem neuen oder gründlich überholten Auto zu überraschen. Nicht, dass ich prinzipiell etwas dagegen gehabt hätte, wenn der Camaro überholt worden wäre; ich hatte nur panische Angst, dass das Auto, wenn ich Jeremy in seine Nähe ließ, in einem bezaubernden Brautjungfernrosa zurückkommen würde.
Ein Stück tiefer im Wald hielt Nick an und parkte. Der Motor starb mit einem ungesunden dumpfen Geräusch ab. Ich versuchte nicht weiter darüber nachzudenken. Möglicherweise bedeutete es, dass der Wagen nicht wieder anspringen würde und dass ich in den Wäldern von New York gestrandet war, per Handy nicht erreichbar und mit zwei Typen, die Motoröl nicht von Frostschutzmittel unterscheiden konnten.
Nick redete pausenlos weiter, als wir in den Wald eintauchten.
»Wenn dieser Schlamassel hier zu Ende ist, sollten wir irgendwas unternehmen. Irgendwo hinfahren. In den Urlaub. Vielleicht nach Europa. Clayton wollte sowieso diesen Winter mit mir zum Skifahren in die Schweiz fliegen, aber er hat einen Rückzieher gemacht.«
»Habe ich nicht«, sagte Clay. Er ging vor uns und bahnte uns einen Pfad durch das wuchernde Gestrüpp, vielleicht um rücksichtsvoll zu sein, wahrscheinlich aber eher, damit er nicht neben mir gehen musste. »Ich habe nie gesagt, dass ich mitkomme.«
»Doch, hast du. An Weihnachten. Ich hab dich eigens auftreiben müssen, um dich zu fragen.« Nick wandte sich an mich. »Er hat sich kaum blicken lassen in der Woche, in der das Rudel in Stonehaven war. Hat sich die ganze Zeit hinter seinen Büchern und Papieren verkrochen. Er hatte damit gerechnet, dass du auftauchst, und als du's nicht getan hast –« Auf einen Blick von Clay hin brach Nick ab. »Aber jedenfalls, du hast gesagt, dass du mit zum Ski fahren kommst. Ich hab dich gefragt, und du hast irgendwas gegrunzt, das nach Ja geklungen hat.«
»Hmpf.«
»Genau. Genau so. Okay, es war streng genommen kein Ja, aber ein Nein war's auch nicht. Also schuldest du mir jetzt den Ausflug. Wir fahren alle drei. Wohin willst du, wenn das hier vorbei ist, Elena?«
Mir lag das Wort ›Toronto‹ auf der Zunge, aber ich sprach es nicht aus. Nicks Pläne platzen zu lassen, während er sich gerade so viel Mühe gab, die Wogen zu glätten – es wäre gewesen, als teilte man seinem Kind mit, dass es keinen Weihnachtsmann gibt, nur weil man im Büro einen schlechten Tag gehabt hat. Es wäre nicht fair gewesen, und er hatte es nicht verdient.
»Wir werden sehen«, sagte ich.
Clay sah rasch über die Schulter zurück und fing meinen Blick auf. Er wusste ganz genau, was ich dachte. Mit einem finsteren Stirnrunzeln schob er einen Ast aus dem Weg und stelzte davon, um einen geeigneten Ort für die Wandlung zu finden.
»Ich bin mir nicht sicher, dass das eine gute Idee ist«, sagte ich zu Nick, nachdem Clay verschwunden war. »Vielleicht warte ich lieber im Auto.«
»Komm schon. Mach das nicht. Du kannst ein bisschen Dampf ablassen. Ignorier ihn einfach.«
Clay einfach ignorieren. Guter Tipp. Ein wirklich brillanter Tipp. Was seine praktische
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