Die Nacht der Wölfin
hat nur meine Handynummer.«
»Das ist mir gleich. Du kannst es nicht riskieren. Clay weiß, dass es ihn gibt, obwohl er es zu vergessen versucht. Gib ihm keinen Grund, sich daran zu erinnern. Und fang jetzt nicht an, mir vorzuwerfen, ich verträte Clays Interessen. Ich schütze nur das Rudel. Wir können es uns nicht leisten, dass Clay jetzt den Kopf voll hat mit etwas anderem. Und wir können uns ganz bestimmt nicht leisten, diesen Mann plötzlich vor der Tür stehen zu haben. Wir haben wahrhaftig schon genug Besucher.«
»Ich gehe telefonieren.«
»Nicht gleich jetzt. Ich habe Nick gesagt, er soll die anderen für eine Besprechung zusammenrufen.«
»Du kannst's mir ja später erzählen.«
»Eine Besprechung heißt eine Gruppenbesprechung«, sagte Jeremy. »Eine Gruppenbesprechung heißt, dass die Mitglieder der Gruppe anwesend sind.«
»Und was, wenn ich kein Mitglied der Gruppe bin?«
»Du bist eins, solange du hier bist.«
»Das lässt sich ja ändern.«
Jeremy hob die Füße auf den Schemel und legte den Kopf gegen die Lehne zurück. »Wunderbares Wetter haben wir heute, findest du nicht?«
»Redest du jemals über etwas, über das du nicht reden willst?«
»Das sind die Privilegien des Alters.«
Ich schnaubte. »Die Privilegien deiner Stellung.«
»Das auch.«
Jeremys Lippen verzogen sich zu der Andeutung eines Lächelns, und seine schwarzen Augen blitzten. Ich erkannte den Gesichtsausdruck, aber ich brauchte einen Augenblick, um ihn einzuordnen. Eine Herausforderung. Er wartete darauf, dass ich mich wieder auf eine Debatte einließ, mit der wir uns herumgeschlagen hatten, seit ich zum Rudel gestoßen war. Als jemandem, die einmal ein Mensch in einer demokratischen Gesellschaft gewesen war, ging mir die Vorstellung von einem allmächtigen, unanzweifelbaren Anführer gegen den Strich. Wie viele Nächte hatten Jeremy und ich darüber gestritten, hier in diesem Raum, und dazu Brandy getrunken, bis ich zu müde und zu betrunken gewesen war, um mich noch die Treppe hinaufzuschleppen – nur um später trotzdem in meinem Bett aufzuwachen?
Ich hatte ihn vermisst. Selbst jetzt, nachdem ich fast fünf Tage in ein und demselben Haus mit ihm gelebt hatte, vermisste ich ihn noch. Jedes andere Mitglied des Rudels hatte mich willkommen geheißen, ohne Fragen zu stellen, ohne mir etwas nachzutragen. Jeremy nicht. Er war nicht unfreundlich oder auch nur distanziert gewesen, aber er war nicht wie sonst. Er hielt mich von sich fern, als wolle er sich nicht auf mich einlassen, bevor er nicht sicher sein konnte, dass ich nicht wieder Reißaus nahm. Das Problem war, ich war mir in dieser Sache selbst nicht sicher.
Ich versuchte mir eine Antwort einfallen zu lassen; mein Hirn war eingerostet, und ich mühte mich, die Argumente von damals wieder zu finden. Während ich noch nachdachte, wurde Jeremys Blick verschlossen, und sein Lächeln verblasste. Ich sah, wie die Gelegenheit vorbeiging, und versuchte sie im letzten Augenblick noch festzuhalten. Als ich den Mund öffnete, um irgendetwas zu sagen, das mir gerade in den Sinn kam, öffnete sich die Tür. Die anderen kamen herein, und mein Augenblick allein mit Jeremy war vorbei.
Der erste Tagesordnungspunkt war, dass Jeremy uns verbot, auf seinem Grundstück rennen zu gehen, bis alle Fragen mit der Polizei geklärt waren. Wenn es Zeit wurde, zu rennen, würden wir alle eine Exkursion in die nördlichen Wälder machen. Nun habe ich absolut nichts dagegen, mit anderen zu rennen, und unter normalen Umständen liebe ich es, im Rudel zu rennen. Aber es zu einem organisierten Ereignis mit festem Termin zu machen, ruiniert jedes Vergnügen daran. Der nächste Schritt wäre dann wohl, einen Kleinbus zu mieten, Lunchpakete mitzunehmen und unterwegs Im Frühtau zu Berge zu singen.
Der zweite Tagesordnungspunkt betraf Jeremys weitere Vorgehensweise. Auch diesmal war Clay nicht allzu angetan von Jeremys Plänen. Ich genau genommen auch nicht, aber immerhin war ich nicht diejenige, die aufsprang und ausrastete, bevor Jeremy auch nur ausgeredet hatte.
»Du kannst mich nicht hier lassen«, schrie Clay.
Jeremys Augenbrauen hoben sich um Bruchteile eines Zentimeters. »Ich kann nicht?«
»Du solltest nicht. Das ist doch d… Das ergibt doch keinen Sinn.«
»Es ergibt sogar sehr viel Sinn. Und du bist schließlich nicht der Einzige, der hier bleibt.«
Ich murrte, aber ich tat es leise und vor mich hin, obwohl Jeremys Blick trotzdem kurz zu mir herüberflackerte.
Jeremy fuhr
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