Die Nacht der Wölfin
Am Rand der Lichtung wurde Cains Geruch stärker. Ich folgte meiner Nase zu einem nahe gelegenen Dickicht. Das zertretene und flach gedrückte Gras war geradezu getränkt mit seinem Geruch. Er hatte hier gelegen, nahe genug, dass er die Nase durch die Brombeerranken hätte schieben und uns im Schlaf hätte beobachten können. Etwas an der Vorstellung störte mich, aber ich wusste nicht, was. Der menschliche Teil meines Gehirns wollte innehalten und das Problem überdenken, aber der Wolfsinstinkt schaltete ab und trieb meine Füße an. Wir hatten einen Eindringling, mit dem wir uns befassen mussten.
Wenn ich in der Nähe des Dickichts noch gezögert hatte – Nick tat nichts dergleichen. Er streckte die Nase vor, atmete einmal tief ein, zog den Kopf zurück und stürmte hinter Clay her. Diesmal war ich es, die die Nachhut abgab. Die beiden anderen waren mir so weit voraus, dass ich sie nicht mehr sehen konnte und Clays Witterung folgen musste. Die Fährte führte tiefer in den Wald, zwischen Bäumen hindurch, die so dicht standen, dass sie Mond und Sterne vollkommen aussperrten. So gut meine Nachtaugen waren, etwas Licht brauchte ich, um manövrieren zu können, und wenn es reflektiertes Licht war. Hier gab es nichts. Ich konnte nur die ragenden Schatten von Stämmen und Büschen erkennen, dunkle Schatten vor einem noch dunkleren Hintergrund. Ich wurde langsamer, senkte die Nase zum Boden und nahm stattdessen Clays Fährte wieder auf.
Auf der anderen Seite der dicht bewachsenen Senke standen die Bäume etwas weiter auseinander und ließen Mondlicht durch. Als ich wieder schneller wurde, hörte ich im Norden Büsche rauschen – etwas Großes brach dort durchs Unterholz. Es war weder Clay noch Nick. Selbst Nick bewegte sich mit mehr Geschick durch die Wälder. Ich verließ Clays Fährte und schwenkte nach Norden ab. Ich war eine Viertelmeile gerannt, als ich den Widerhall hämmernder Pfoten im Boden irgendwo hinter mir wahrnahm. Clay und Nick. Ich erkannte sie, ohne mich umsehen zu müssen, und so gab ich mir keine Mühe, langsamer zu laufen. Aber weil jetzt ich es war, die uns allen einen Weg bahnte, waren sie schneller als ich, und es dauerte nicht lang, bis ich den Rhythmus von Clays Pfoten hinter mir hörte. Wir bogen um einen felsigen Vorsprung. Zweige brachen irgendwo hinter uns. Ich drehte den Kopf und sah einen riesigen rotbraunen Schatten hinter dem Felsen hervorschießen und in die entgegengesetzte Richtung davonstürmen.
Ich grub die Klauen in die weiche Erde, um mich abzubremsen, fuhr herum und jagte Cain nach. Nur ein Wolf folgte mir: Nick. Clay war verschwunden; er hatte eine andere Route genommen, in der Hoffnung, Cain den Weg abzuschneiden, so, wie er es bei dem Hirsch getan hatte. Cain folgte der Spur, die ich geschlagen hatte, zurück auf der Strecke, die er gekommen war. Nach einer Viertelmeile schwenkte er nach Osten. Er wollte zur Straße hinüber in der Hoffnung, so zu entkommen. Ich schoss vorwärts und kam ihm nahe genug, um zu spüren, wie seine Schwanzhaare meine Nase streiften. Dann verfing sich mein Vorderfuß in einer Delle im Boden – kein Loch, nichts, das groß genug gewesen wäre, um mich zu Fall zu bringen, einfach nur eine winzige Änderung der Steigung, die mich eben lang genug aufhielt, um Cain den zusätzlichen halben Meter Vorsprung zu geben, den er brauchte. Nick kam von hinten herangejagt, und als er mich zu überholen begann, ließ ich mich etwas zurückfallen, um Kraft zu sparen. Vor uns wurde der Wald lichter, als wir uns wieder der Straße näherten. Ich schwenkte nach rechts in der Hoffnung, ein paar Meter Boden zu gewinnen, indem ich seine Route vorwegnahm. Aber er bog nicht ab. Er rannte weiter geradeaus, zurück in den Wald.
Als mir aufging, was Cain tat, sah ich nach vorn und entdeckte einen offeneren Fleck Land im Nordwesten. Da Cain sich nicht in diese Richtung wandte, tat ich es. Nick blieb Cain auf den Fersen, weniger um ihn einzuholen als in der Hoffnung, ihn zu ermüden. Mein eigener Weg führte mich zu einem felsigen Hügel. Während ich hinaufkletterte, fing ich Spuren von Clays Geruch auf. Das Terrain wurde unwegsamer und ließ mich die Abkürzung verfluchen, die ich so überaus intelligent gewählt hatte. Auf halber Strecke rutschte ich mit einer Vorderpfote auf ein paar Steinen aus, von denen einer scharfkantig genug war, um mir den Fußballen aufzuschneiden. Ich grunzte und rannte weiter. Als ich endlich die Kuppe erreicht hatte, schien sich die
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