Die Nacht der Wölfin
Effizienz. Bevor der Körper auch nur erschlaffte, hatte Clay ihn schon in die Schatten unter der Treppe geschoben.
»Lassen wir ihn hier?«, fragte ich.
»Nö. Da drüben ist ein Ausgang. Ich hab draußen ein paar Müllcontainer stehen sehen. Wenn ihr zwei Wache schiebt, bringe ich ihn raus.«
»Brauchst du uns beide?«, fragte ich. »Vielleicht können Tonio und Jeremy Hilfe brauchen.«
»Gute Idee. Geh ruhig. Nick macht den Posten.«
Ich machte mich auf den Weg.
Als ich in die Halle mit den Gepäckbändern kam, waren die meisten Leute aus Koenigs Flugzeug schon wieder verschwunden. Übrig waren nur noch die unvermeidlichen Nachzügler, die neben dem Förderband standen und es wie gebannt beobachteten. Bei jedem vorbeiziehenden Gepäckstück wurden sie aufmerksam und prüften es sorgfältig und wider besseres Wissen in der Hoffnung, dass ihr Koffer irgendwann doch noch auftauchen würde; sie weigerten sich ganz einfach zu glauben, dass er tatsächlich von dem dunklen Gott des verlorenen Gepäcks verschlungen worden war. Der FBI-Mann war nicht unter den Gläubigen. Jeremy und Antonio auch nicht. Ich warf einen letzten Blick in die Runde und ging zurück in die Richtung, aus der ich gekommen war.
In der Nähe der Toiletten entdeckte ich von weitem den FBI-Mann. Ich versuchte den Werwolfgeruch zu identifizieren, aber er verlor sich im Gestank Hunderter von Fremden. Auch Jeremy und Antonio konnte ich nicht wittern, aber das war nicht weiter überraschend. Bei all dem menschlichen Durchgangsverkehr, der sich Stunde um Stunde durch diese Gänge wälzte, hätte ich Glück gehabt, wenn ich überhaupt einen einzelnen Geruch herauspicken konnte. Außerdem kam Jeremy vermutlich aus einer anderen Richtung – im Gegensatz zu mir neigte er nicht zu kindischen Spielereien, etwa der, zu einer Zielperson hinzugehen und ›Buh‹ zu sagen.
Ich heftete mich an die Fersen des neuen Werwolfs, hielt aber genug Abstand, um ihn nicht unversehens einzuholen und Jeremys Plan zu ruinieren, wie immer der auch aussehen mochte. Ich erwartete, der Mutt werde in das Foyer zurückkehren, wo Koenig gewartet hatte. Er tat es nicht. Stattdessen nahm er eine Nebentür ins Freie. Ich folgte ihm in eine Art offenen Durchgang hinaus, der aussah wie eine Ladezone. Von dort aus wandte er sich in Richtung Parkplatz.
Auch diesmal entsprach seine Route nicht meinen Erwartungen. Statt weiterzugehen bis zum Parkplatz, bog er in eine andere Passage ab. Als ich ihm folgen wollte, zerriss ein hohes Blökgeräusch die Stille, und ich fuhr herum und sah einen Gabelstapler, der sich von hinten näherte. Ich sprang aus dem Weg. Als das Gerät vorbeifuhr, zeigte der Fahrer mit dem Finger zum Parkplatz hinüber, wurde aber nicht langsamer – wahrscheinlich hatte er zu viel zu tun, um sich um Fluggäste zu kümmern, die sich in einen den Angestellten vorbehaltenen Bereich verirrt hatten. Danach hielt ich mich dicht an der Wand und bereit, in Deckung zu gehen, falls noch jemand auftauchen sollte.
Ich rannte bis ans Ende der Gasse, aber der Mutt war verschwunden. Ich suchte nach seiner Witterung. Sie war immer noch nicht zu finden – jetzt waren es die Motoren- und Abgasgerüche, die sie überdeckten. Ich begann zu vermuten, dass Jeremy und Antonio nicht einmal in der Nähe waren. Die Luft war dick von Öl- und Dieseldämpfen; sie hatten es wahrscheinlich längst aufgegeben. Ich wollte schon umkehren, als ich um eine Ecke bog und den Mutt in weniger als fünf Metern Entfernung vor mir sah. Ich zog mich schnell zurück, bis ich außer Sicht war, blieb stehen, horchte und überlegte, was für Möglichkeiten ich nun hatte. Wenn sich mein Eindruck verstärkte, dass Jeremy und Antonio nicht da waren, sollte ich mich zurückziehen. Jeremy würde mich bei lebendigem Leib häuten, wenn ich mir den Mutt allein vornahm, selbst wenn es mir gelang, ihn zu erlegen. Ich wusste das, aber die Versuchung war zu groß. Ich sagte mir, dass ich ihn mir nur genauer ansehen wollte, und schob mich wieder vorwärts.
Als ich die Ecke wieder erreichte, war der Mutt fort. Ich hielt mich dicht neben dem Gebäude zur Linken, schlüpfte den Durchgang entlang und fand ihn wieder. Wir gingen noch fünf oder sechs Meter. Dann blieb er stehen und sah sich um, wie um sich zu orientieren. Ich drückte mich flach an die Mauer und wartete. Als er weiterging, blieb ich in meinem Versteck und ließ ihn einen Vorsprung gewinnen. Ich war so auf meine Beute konzentriert, dass ich die Schritte hinter
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