Die Nacht der Wölfin
ich seinen Stuhl erreicht hatte, blieb ich hinter ihm stehen und wartete. Es dauerte eine ganze Weile, bis sein Kopf nach oben zuckte. Er schnüffelte und sah sich langsam um.
»Buh!«, sagte ich.
Er reagierte so, wie alle Mutts reagieren, wenn sie mit mir zu tun bekommen. Er schoss aus seinem Stuhl hoch und stürzte angstzitternd zum Ausgang. Schön wär's. Er warf einen Blick auf mich und sah sich dann nach Clay um. Es klappt immer. Mutts zittern bei meinem Auftauchen einzig und allein deshalb, weil es in der Regel bedeutet, dass Clay nicht allzu weit entfernt ist. Ich bin nichts als ein Bote kommenden Unheils.
»Wo ist er?«, fragte Koenig, während er mit schmalen Augen die Menge absuchte.
»Ich bin allein«, antwortete ich.
»Yeah, ganz sicher.«
Ich umrundete die Stuhlreihe und setzte mich neben ihn. Ich roch nichts als eine Spur von Scotch in seinem Atem, was wohl hieß, dass er im Flugzeug nur einen einzigen Drink zu sich genommen hatte. Auch hier war ich mir nicht sicher, ob das nun ein gutes Zeichen war oder nicht. In nüchternem Zustand war er wie ein zahnloser Löwe, unangenehm, aber ohne allzu viel Biss. Es bedeutete allerdings auch, dass sein Hirn und seine Reflexe in Bestform waren.
»Clay ist gegangen, um sich deinen Kumpel mit der Sonnenbrille vorzunehmen«, erklärte ich.
»Kump…« Koenig brach ab und grunzte.
»Er dachte, mit dir werde ich allein fertig.«
Koenigs dunkle Augen blitzten wütend; jetzt war er offensichtlich beleidigt. Er murmelte etwas Unverständliches. Ich wollte ihn gerade bitten, es zu wiederholen, als ich sah, wie Nick sich von der anderen Seite her näherte. Ich beobachtete ihn und fluchte leise. Koenigs Kopf fuhr herum. Als er Nick sah, war seine erste Reaktion Erleichterung. Er begann sich zu entspannen und wurde dann wieder aufmerksam. Nick mochte nicht so übel sein wie Clay, aber in Koenigs Augen bot er entschieden mehr Grund zur Besorgnis als ich.
»Scheiße«, murmelte ich. »Der hat hier gar nichts verloren.«
Nick grinste – kein freundliches Lächeln, sondern das zufriedene Grinsen eines Jägers, der Beute wittert. Seine Schritte wurden länger, als er auf uns zukam. Seine Augen waren fest auf Koenig gerichtet.
»Nicholas…«, warnte ich leise, während ich aufstand.
Koenig fiel darauf herein. Er glaubte, dass ich mich darauf vorbereitete, Nick entgegenzutreten, und ergriff die Flucht. Nick grinste siegessicher in meine Richtung, und wir machten uns an die Verfolgung. Koenig rannte, aber er kam kaum voran. Es war, als versuchte man in einem dichten Wald zu rennen. Er musste ständig ausweichen, um den Zusammenprall mit Leuten und Stühlen zu vermeiden, und wenn er ein Hindernis umgangen hatte, krachte er in das nächste. Nick und ich folgten ihm mit schnellen Schritten, ohne zu rennen. Es war auf diese Art nicht nur leichter, Hindernissen aus dem Weg zu gehen; es würde so auch nicht aussehen, als jagten wir Koenig. Und bei Koenigs äußerer Erscheinung schien niemand es besonders merkwürdig zu finden, dass er durch die Flughafenhalle stürzte, als versuchte er unsichtbaren Verfolgern zu entkommen. Die Leute nahmen vermutlich an, er sei entweder blau oder zugekifft oder habe vielleicht auch einen wirklich umwerfenden Sechziger-Jahre-Flashback. Sie fluchten, wenn er sie über den Haufen rannte, aber niemand versuchte sich einzuschalten.
Nick und ich hielten uns auf Koenigs beiden Seiten. Es war die gleiche Technik, die wir auch bei dem Hirsch angewandt hatten: ihn in Bewegung zu halten und auf die Ziellinie zuzutreiben. Und erraten Sie, wer an der Ziellinie wartete? Ich war beinahe überrascht, dass Koenig es tatsächlich nicht besser wusste. Ich sage ›beinahe‹, weil ich inzwischen nicht mehr vollkommen überrumpelt war, wenn ein Mutt sich von einem so alten Trick täuschen ließ. Mutts jagen kein Rotwild. Das Muster für unsere Vorgehensweise mochte in Koenigs Hirn gespeichert sein, aber er hatte sich nie die Mühe gemacht, es abzurufen, und so erkannte er es nicht, als es gegen ihn verwendet wurde.
Ich folgte Clays Geruch, und wir trieben Koenig aus der belebten Halle in einen leeren Gang und von dort in ein enges Treppenhaus. Clay schoss unter der Treppe hervor, packte Koenig an der Kehle und brach ihm das Genick. Nicht gerade ein spannender Höhepunkt, aber wir konnten es einfach nicht riskieren, ihn in einem belebten Flughafengebäude zu befragen. Jeremy hatte gesagt, wir sollten ihn töten, und so tötete Clay ihn, mit vollkommener
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