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Die Nacht der Wölfin

Die Nacht der Wölfin

Titel: Die Nacht der Wölfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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lässt du allmählich nach oder was?«
    Das Gestichel ging tiefer, als ich gehofft hatte. Clays Lippen wurden dünn. Seine Augen wurden hart. Wut glomm in ihnen, nur ein paar Grad vor der Explosion. Der Ärger galt nicht mir, sondern denjenigen, die es gewagt hatten, sein Heiligtum zu betreten. Jede Faser seines Wesens musste sich auflehnen bei dem Gedanken, bewaffneten Männern den Zugang zum Grundstück zu gewähren. Es gab nur eins, das ihn davon abhalten konnte, sie zur Strecke zu bringen – Jeremy. Jeremy musste es gewesen sein, der ihm verboten hatte, sich die Eindringlinge vorzunehmen, ihm nicht nur verboten hatte, sie zu töten, sondern sogar verboten hatte, seine berüchtigten Einschüchterungsmethoden anzuwenden, Clays übliches Mittel gegen menschliche Eindringlinge. Zwei Generationen von Teenagern auf der Suche nach geeigneten Orten für Partys im Freien waren mit der Überlieferung aufgewachsen, dass es in den Wäldern von Stonehaven spukte. Solange es in den Geschichten um Geister und Erscheinungen ging und Werwölfe nicht erwähnt wurden, solange erlaubte Jeremy derlei – er ermutigte es sogar. Clay die Anwohner erschrecken zu lassen war immerhin weniger gefährlich und brachte viel weniger Ärger mit sich als die offenkundige Alternative. Warum also ließ Jeremy es jetzt nicht zu? Was hatte sich verändert?
    »Er müsste jetzt eigentlich wieder da sein«, sagte Clay. »Geh rein und rede mit ihm.«
    Er wandte sich ab und verschwand im Wald, um seine Kleider zu holen.
    Als ich zum Haus ging, dachte ich an das, was der Taxifahrer gesagt hatte. Wilde Hunde. Es gab keine wilden Hunde in dieser Weltgegend. Kein wilder Hund würde einen Fuß in Werwolfgebiet setzen. Und Hunde schlachteten auch keine gesunden jungen Frauen ab. Riesige hundeartige Spuren in der Nähe der Leiche konnten nur eins bedeuten: ein Werwolf. Aber wer würde so nah an Stonehaven töten? Die Frage allein war so abwegig, dass es keine Antwort auf sie geben konnte. Ein nicht zum Rudel gehörender Werwolf musste lebensmüde sein, um die Grenze zum Staat New York zu überschreiten. Clays Methoden im Umgang mit solchen Eindringlingen waren so bekannt, dass sich seit über zwanzig Jahren keiner im Umkreis von hundert Meilen um Stonehaven hatte blicken lassen. Es heißt, Clay hätte den Letzten von ihnen Finger um Finger, Glied um Glied auseinander genommen und ihn dabei bis zum letztmöglichen Augenblick am Leben gelassen, bevor er ihm schließlich den Kopf abriss. Clay war damals siebzehn gewesen.
    Und der Gedanke, dass entweder Clay oder Jeremy selbst für den Tod der jungen Frau verantwortlich sein könnten, war ebenso absurd. Jeremy tötete nicht. Damit will ich nicht sagen, dass er nicht töten konnte, oder auch nur, dass er niemals das Bedürfnis verspürt hätte, es zu tun, sondern einfach, dass er wusste, seine Energie und Aufmerksamkeit sollten anderen Dingen vorbehalten bleiben – wie ein Feldherr auf den Rausch der Feldschlacht verzichten muss, um sich stattdessen Fragen der Strategie und der Führerschaft widmen zu können. Wenn jemand getötet werden musste, ordnete Jeremy es an. Aber selbst dies geschah nur in extremen Fällen, und es waren kaum jemals Menschen, die dabei ums Leben kamen. Und ganz gleich, wie groß die Bedrohung sein mochte, Jeremy würde niemals anordnen, einen Menschen auf seinem Territorium zu töten. Was Clay anging, so mochte er Dutzende von Fehlern haben, aber Menschen zum Spaß zu töten gehörte nicht dazu. Sie zu töten würde bedeuten, sie zu berühren, sich zu einem körperlichen Kontakt mit ihnen herabzulassen, und das tat er nur, wenn es unbedingt nötig war.
    Als ich das Haus wieder betrat, war es immer noch still. Ich ging zurück ins Arbeitszimmer, zum Herzen von Stonehaven. Jeremy war nicht da. Ich beschloss zu warten. Wenn er im Haus war, würde er mich hören. Zur Abwechslung einmal konnte er zu mir kommen.
    Jeremy herrschte mit absoluter Autorität über sein Rudel. Unter wilden Wölfen ist dies das Gesetz; das Gesetz des Werwolfsrudels dagegen war es durchaus nicht immer. Es gab Zeiten, in denen die Geschichte der Alpha-Wölfe die Nachfolgeregelungen im Römischen Reich geradezu zivilisiert erscheinen ließ. Ein Werwolf kämpfte sich an die Spitze des Rudels durch, behielt die Position des Alpha-Wolfs ein paar Monate oder vielleicht sogar ein paar Jahre lang und wurde dann von einem der ehrgeizigeren unter seinen Brüdern ermordet oder hingerichtet, woraufhin dieser die Führung

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