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Die Nacht der Wölfin

Die Nacht der Wölfin

Titel: Die Nacht der Wölfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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ab, die seit fünf Uhr geschlossen war. Ich brachte die Wandlung zwischen zwei nach Desinfektionsmittel stinkenden Abfallbehältern hinter mich.
    Eine Gestaltwandlung ist im Wesentlichen wie jede andere Körperfunktion – sie geht am leichtesten vonstatten, wenn der Körper gerade danach verlangt. Ein Werwolf ohne Selbstkontrolle macht sie in zwei Situationen durch: wenn er sich bedroht fühlt und wenn seine innere Uhr es fordert. Das Bedürfnis danach steht in einem gewissen Zusammenhang mit dem Mondzyklus, hat aber wenig mit dem Vollmond zu tun. Unser natürlicher Zyklus ist meist eine Woche lang. Wenn der Zeitpunkt näher rückt, spüren wir die Symptome: die Ruhelosigkeit, das Hautjucken, die inneren Stiche und Krämpfe, das überwältigende Gefühl, dass etwas getan werden muss und dass Körper und Geist keine Ruhe finden werden, bis das Bedürfnis befriedigt ist. Die Anzeichen sind so unverkennbar wie die Anzeichen von Hunger, und wie beim Hunger können wir die Sache eine Weile hinausschieben, aber irgendwann übernimmt der Körper die Kontrolle und erzwingt die Wandlung. Ebenfalls wie beim Hunger können wir den Symptomen zuvorkommen und das Bedürfnis im Voraus befriedigen. Oder wir können auf den natürlichen Rhythmus ganz verzichten und stattdessen lernen, uns so oft zu verwandeln, wie wir wollen. Das war es, was das Rudel uns lehrte – uns öfter zu verwandeln, um mehr Kontrolle zu gewinnen und sicherzustellen, dass wir nicht zu lange warteten. Zu lang zu warten konnte nämlich unerwünschte Nebenwirkungen haben, etwa die, dass unsere Hände während des Einkaufens mitten im Supermarkt zu Pfoten wurden, oder die, dass wir von frustrierter Wut und Blutgier übermannt wurden, sobald wir endlich wieder die Wolfsgestalt angenommen hatten. In Toronto hatte ich Jeremys Lehren ignoriert und dem Bedürfnis nur dann nachgegeben, wenn es nötig war, teilweise um mich von meinem ›Fluch‹ zu distanzieren und teilweise deshalb, weil die Wandlung in der Stadt immer ein größeres Unternehmen war, das so viel Vorbereitung und Umsicht erforderte, dass ich es viel zu anstrengend fand, die Erfahrung mehr als einmal pro Woche zu wiederholen. Also war ich auch hier wieder aus der Übung. Ich hatte mich erst am Tag zuvor verwandelt, und ich wusste genau, es innerhalb von vierundzwanzig Stunden ein zweites Mal zu tun würde die reine Hölle sein. Es ist wie Sex ohne Vorspiel – entweder es wird ausgesprochen schmerzhaft, oder es geht gar nicht. Ich hätte Jeremy Bescheid sagen sollen, als er uns anwies, für die Jagd zu Wölfen zu werden, aber ich hatte es nicht über mich gebracht. In Toronto hatte ich es so selten wie möglich getan, weil ich mich schämte. Zwei Tage später war ich in Stonehaven und schämte mich schon wieder: weil ich es nicht so oft tun konnte wie die anderen. Noch so ein Umstand, der sein Teil zu der Dauerverwirrung in meinem Hirn beitrug.
    Ich brauchte über eine halbe Stunde für die Wandlung, dreimal so lang wie üblich. Tat es weh? Ja nun, ich habe nicht allzu viel Erfahrung mit Schmerzen, die nicht mit einer Gestaltwandlung zu tun haben, aber ich glaube sagen zu können, dass Vierteilen etwas weniger schmerzhaft gewesen wäre. Als es endlich vorbei war, ruhte ich mich zwanzig Minuten lang aus, dankbar dafür, dass ich die Wandlung überhaupt zuwege gebracht hatte. Aber wenn ich die Wahl hatte zwischen den Schmerzen der Wandlung und dem Geständnis vor Clay und den anderen, dass ich mich nicht mehr nach Belieben verwandeln konnte, dann würde ich jederzeit das Vierteilen wählen. Körperliche Schmerzen heilen schneller als verletzter Stolz.
    Ich begann in einer Siedlung alter Reihenhäuser, die noch nicht zu Eigentumswohnungen umgebaut worden waren und denen dieses Schicksal vermutlich auch nie zuteil werden würde. Es war nach zehn, und die Straßen waren verlassen. Die Kinder waren schon vor Stunden von ängstlichen Eltern von den Spielplätzen fort in die Häuser gezerrt worden. Sogar die Erwachsenen selbst waren in Deckung gegangen, als die Sonne unterging. Trotz der warmen Mainacht saß kein Mensch mehr draußen auf der Terrasse oder spielte in der Einfahrt Basketball. Das flackernde blaue Licht der Fernseher zuckte über die Vorhänge. Die Lachkonserven der Sitcoms meckerten in die stille Nacht hinaus – Wirklichkeitsflucht für die Ängstlichen. Bear Valley fürchtete sich.
    Ich stahl mich an den Fassaden entlang, verborgen zwischen den Ziegelmauern und den Bodendeckern. An jeder

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