Die Nacht der Wölfin
Haustür streckte ich die Nase vor und schnupperte; dann brachte ich hastig den Zwischenraum bis zur nächsten Reihe von Büschen hinter mich. Jedes Aufblitzen von Scheinwerfern ließ mich erstarren. Mein Herz hämmerte; der Herzschlag war unregelmäßig vor nervöser Aufregung. Die Aufgabe selbst war nicht gerade unterhaltsam, aber das Wissen um die Gefahr war etwas, das ich seit Jahren nicht mehr verspürt hatte. Wenn jemand mich sah, nur eine Sekunde lang, war ich in ernsthaften Schwierigkeiten. Ich war ein Wolf und schlich durch eine Stadt, die gerade einen kollektiven Alptraum von wilden Hunden durchmachte. Ein Schatten meines Umrisses auf einer Jalousie, und die Gewehre würden herausgeholt werden. Über eine Stunde später, als ich meine vierte Straße voller Reihenhäuser zur Hälfte hinter mir hatte, ließ ein Klick-Klick mich jäh erstarren. Ich drückte mich an die kühle Ziegelmauer des Hauses und lauschte. Jemand kam klickend den Gehweg entlang. Clay? Das sollte er lieber bleiben lassen. Zusammen zu jagen hätte mehr Spaß gemacht, aber Jeremy hatte uns angewiesen, getrennt zu arbeiten, damit wir schneller vorankamen. Ich blieb zwischen den Zweigen einer Zeder stehen, spähte ins Freie und sah eine Frau schnell den Gehweg entlangkommen; die Absätze klickten auf dem Beton. Sie trug eine Art Uniform, deren Polyesterrock kaum die breiten Hüften bedeckte, hielt eine Kunstlederhandtasche umklammert und ging so schnell, wie die Fünf-Zentimeter-Absätze es erlaubten. Alle paar Schritte sah sie über die Schulter zurück. Ich schnupperte und fing eine Spur von Obsession-Toilettenwasser auf, überlagert von dem Gestank von Fett und Zigarettenrauch. Eine Kellnerin auf dem Heimweg von der Schicht, die nicht damit gerechnet hatte, dass die Nacht so dunkel sein würde. Als sie näher kam, roch ich noch etwas anderes. Angst. Unverfälschte, unmissverständliche Angst. Ich betete darum, dass sie nicht anfangen würde zu rennen. Sie tat es nicht. Mit einem letzten ängstlichen Blick über die Schulter schlüpfte sie in ihr Haus und schloss die Tür hinter sich ab. Ich machte mich wieder an die Arbeit.
Ein paar Minuten später drang ein Heulen zu mir herüber. Clay. Er verwendete nicht das unverkennbare Wolfsheulen, das mit Sicherheit Aufmerksamkeit erregt hätte, sondern imitierte den Ruf eines einsamen Hundes. Er hatte etwas gefunden. Ich wartete. Als ein zweites Heulen folgte, nutzte ich es, um seine Position zu ermitteln, und begann zu rennen. Ich hielt mich im Rinnstein, gab mir aber nicht mehr allzu viel Mühe, unsichtbar zu bleiben. Bei dieser Geschwindigkeit würden die Leute, die mich entdeckten, nichts weiter sehen als ein vorbeischießendes Tier mit hellem Pelz. Das erste Hindernis tauchte auf, als ich die Hauptstraße erreicht hatte und mir klar wurde, dass ich sie überqueren musste. Es waren zwar kaum noch Einheimische unterwegs, aber die Hauptstraße war zugleich eine Durchgangsstraße, was bedeutete, dass alle paar Minuten ein Lastzug vorbeiraste. Ich wartete auf eine hinreichend große Lücke und schoss hinüber. Auf der anderen Seite lag das Clay zugewiesene Gebiet, ein Viertel mit alternden Häusern aus den vierziger Jahren und ein paar Appartementhäusern. Ich versuchte seinen Geruch zu finden und fand stattdessen einen anderen, einen, der mich jählings abbremsen ließ, wobei meine Hinterbeine nach vorn rutschten und ich mich hinsetzte. Ich schüttelte mich, verfluchte meine Ungeschicklichkeit und machte kehrt. Genau an der Stelle, an der die beiden Straßen aufeinander trafen, roch ich einen Werwolf – jemanden, den ich nicht erkannte. Die Spur war alt, aber deutlich. Er war mehr als einmal hier vorbeigekommen. Ich sah die Straße entlang. Sie führte immer noch in ungefähr die Richtung, in der ich Clay gehört hatte, also folgte ich der Spur des Mutts.
Der Geruch führte mich zu einem einstöckigen Ziegelhaus mit einem aluminiumverkleideten Anbau an der Rückseite. Der hintere Rasen war klein und frisch gemäht, aber kriechendes Unkraut machte dem Gras den Platz streitig. Am Gartentor türmte sich Müll, und der Geruch ließ mich zurückzucken. Nach den drei Postkästen vor dem Haus zu urteilen gab es drei Wohnungen. Das Haus war dunkel. Ich schnupperte am Gehweg, und eine Welle von Werwolfgeruch schwappte über mich hinweg; ich konnte nicht einmal feststellen, wo eine Spur endete und die nächste begann. Sie unterschieden sich nur im Alter. Er war mehrere Tage lang regelmäßig hier
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