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Die Nacht der Wölfin

Die Nacht der Wölfin

Titel: Die Nacht der Wölfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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vorbeigekommen.
    Ich war so aufgeregt darüber, die Wohnung des Mutts gefunden zu haben, dass ich den neben mir auftauchenden Schatten nicht einmal bemerkte. Als ich den Kopf hob, sah ich Clay, in menschlicher Gestalt. Er streckte den Arm aus und fuhr mit der Hand durch den Pelz in meinem Nacken. Ich schnappte nach ihm und verschwand in den Büschen. Nachdem auch ich wieder menschliche Gestalt angenommen hatte, trat ich ins Freie.
    »Du weißt genau, dass ich das hasse«, murmelte ich, während ich mir mit den Fingern durch das wirre Haar fuhr. »Wenn ich verwandelt bin, bleibst du's entweder auch, oder du respektierst meine Privatsphäre. Mich zu streicheln hilft nicht.«
    »Ich hab dich nicht ›gestreichelt‹, Elena. Herrgott, die kleinste Geste –« Er brach ab, holte Atem und begann von vorn. »Das hier ist seine Wohnung, die hintere, aber er ist nicht da.«
    »Warst du schon drin?«
    »Ich hab mich umgesehen und auf dich gewartet.«
    Ich sah an seinem nackten Körper hinunter, dann an meinem eigenen. »Ich kann wohl davon ausgehen, dass du nicht daran gedacht hast, irgendwas zum Anziehen zu finden, während du hier herumgestanden hast.«
    »Du erwartest, dass ich mich um diese Tageszeit nach einer geeigneten Wäscheleine umsehe? Tut mir Leid, Darling. Und überhaupt, es hat seine Vorteile. Wenn irgendwer rauskommt, kannst du ihn sicher dazu bewegen, nicht die Polizei anzurufen.« Ich schnaubte und ging zu der Eingangstür der hinteren Wohnung hinüber. Sie war mit einem einfachen Schloss gesichert. Ein scharfer Ruck an der Klinke brach sie auf. Ich hatte die Tür erst einen Spalt weit geöffnet, als der faulige Gestank von verrottendem Fleisch mir entgegendrang. Ich würgte und drängte den Hustenreiz zurück. Es roch da drin wie in einem Leichenhaus. Für mich jedenfalls. Ein Mensch hätte vermutlich gar nichts gerochen. Die Tür öffnete sich zu einem Wohnraum, der aussah wie die klassische Junggesellenhöhle. Ungewaschene Kleidungsstücke waren über die schäbige Sitzgruppe verstreut, und leere Bierdosen stapelten sich wie ein Kartenhaus in einer Ecke. Auf dem Tisch in einer anderen Ecke des Raums türmten sich Schachteln mit Pizzarändern. Aber das war nicht die Quelle des Gestanks. Der Mutt hatte hier getötet. Ich sah keine Spur von einer Leiche, aber der überwältigende Geruch nach Blut und faulendem Fleisch verriet ihn. Er hatte eine Frau mit in seine Wohnung genommen, sie getötet und noch ein, zwei Tage dabehalten, bevor er die Überreste irgendwo entsorgte.
    Ich machte mich im vorderen Raum auf die Suche, sah in die Schränke und unter die Möbel in der Hoffnung, einen Hinweis auf die Identität des Mutts zu finden. Ich kannte seinen Geruch zwar nicht, aber mit etwas Hilfe konnte ich vielleicht herausfinden, wer er war. Als ich nichts fand, ging ich ins Schlafzimmer. Dort lag Clay auf dem Boden und sah unters Bett. Gerade als ich hereinkam, zog er eine Hand voll Haar hervor, an dem noch die Kopfhaut hing, warf sie zur Seite und sah sich nach Interessanterem um. Ich starrte den blutigen Klumpen an und spürte, wie sich mir der Magen umdrehte. Clay schenkte ihm ungefähr so viel Beachtung wie einem gebrauchten Papiertuch; er war vor allem bestrebt, sich nicht die Hände schmutzig zu machen. So brillant Clay war, er verstand einfach nicht, weshalb das Töten von Menschen tabu war. Er schlachtete keine unschuldigen Leute ab, ebenso wenig wie ein normaler Mensch absichtlich das Lenkrad herumreißen würde, um ein Tier zu überfahren. Aber wenn ein Mensch zur Bedrohung wurde, befahlen ihm seine Instinkte, jede notwendige Gegenmaßnahme zu ergreifen. Jeremy verbot ihm, Menschen zu töten, also vermied er es – aus diesem und keinem anderen Grund.
    »Nichts«, sagte er. Seine Stimme klang dumpf unter dem Bett hervor. Er kroch rückwärts wieder heraus. »Und bei dir?«
    »Dasselbe. Er weiß genug, um keine Hinweise in der Wohnung zu lassen.«
    »Aber nicht genug, um die Finger von den Einheimischen zu lassen.«
    »Ein geborener Wolf, aber jung«, sagte ich. »Er riecht neu, aber kein frisch gebissener Werwolf hätte die nötigen Kenntnisse, also muss er jung sein. Jung und dreist. Daddy hat ihm das Wesentliche beigebracht, aber er hat nicht genug Erfahrung, um nicht unangenehm aufzufallen oder sich vom Rudelterritorium fern zu halten.«
    »Na, der lebt nicht mehr lang genug, um die nötige Erfahrung zu sammeln. Der erste Mist, den er gemacht hat, war auch der letzte.«
    Wir waren bei einer letzten Runde

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