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Die Nacht der Wölfin

Die Nacht der Wölfin

Titel: Die Nacht der Wölfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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hören.«
    »Nein, willst du nie, stimmt's? Du redest viel lieber über all das, was ich nicht getan habe, und dann bringst du diese Sache wieder auf, wenn es gerade reinpasst. Warum mache ich mir eigentlich die Mühe, mich zu verteidigen? Du weißt doch sowieso Bescheid über alles, was ich tue und lasse, und die Gründe dafür. Und nichts, was ich sagen könnte, wird daran noch irgendwas ändern.« Er drehte sich auf dem Absatz um und stelzte in die Küche zurück. Ich wandte mich in die entgegengesetzte Richtung, ging ins Arbeitszimmer und schlug die Tür hinter mir zu.
    Zu meiner Überraschung stellte ich fest, dass ich nicht das Bedürfnis hatte, mich aus dem Staub zu machen. Mein Streit mit Clay hatte mir nicht das übliche überwältigende Bedürfnis vermittelt, von Stonehaven fortzukommen. Ja, die letzte Nacht war ein Fehler gewesen, aber ein lehrreicher Fehler. Ich hatte mich gehen lassen, hatte meinem fast unbewussten Bedürfnis nachgegeben, wieder mit Clay zusammen zu sein, und was war passiert? Binnen weniger Stunden log er mich an. Während wir noch zusammen im Wald gewesen waren, während ich geschlafen hatte, hatte er der finstersten Seite seines Wesens nachgegeben. Er würde sich niemals ändern. Ich konnte ihn nicht ändern. Er war gewalttätig, egoistisch und absolut nicht vertrauenswürdig. Wenn eine bedauerliche Nacht nötig gewesen war, um mich daran zu erinnern, dann war sie es wert gewesen.
    Etwa zwanzig Minuten später öffnete sich die Tür, und Nick spähte ins Arbeitszimmer. Ich hatte mich in Jeremys Sessel zusammengerollt. Als Nick die Tür öffnete, setzte ich mich auf. »Kann ich reinkommen?«, fragte er.
    »Ich rieche Essen. Wenn ich was abkriege, bist du sehr willkommen.«
    Er stellte einen Teller mit Pfannkuchen und Schinken auf dem Fußschemel ab. Die Pfannkuchen waren Fingerfood ohne Butter und Sirup. Ich nahm einen und schlang ihn so schnell hinunter, dass ich nichts davon schmeckte; ich wollte nicht daran denken, wer sie gemacht hatte und warum.
    »Sind sie fertig draußen?«, fragte ich.
    Nick ließ sich aufs Sofa fallen und streckte sich aus. »So ziemlich. Sind noch ein paar Polizisten aufgetaucht. Jeremy hat Peter und mich mit hingeschickt.«
    Antonio kam ins Zimmer. »Untersuchen sie den Schauplatz?«, fragte er, während er die Füße seines Sohnes vom Sofa schob und sich setzte.
    Nick zuckte die Achseln. »Ich denke schon. Sie haben Kameras und eine Tasche voll Zeug mitgebracht. Und irgendwer von der Leichenhalle ist auch unterwegs.«
    »Glaubst du, sie finden irgendwas?«, fragte Antonio mich.
    »Hoffentlich nichts, das nicht nach wildem Hund aussieht«, antwortete ich. »Wenn es aussieht, als wäre alles klar, bringen sie es sicher schnell zu Ende und versuchen lieber die Hunde zu finden. Es hat doch keinen Zweck, nach Hinweisen zu suchen, wenn die Killer sowieso nie einen Gerichtssaal zu sehen kriegen werden.«
    »Sondern bloß einen Gewehrlauf«, sagte Antonio. »Wenn die jetzt auch nur einen Fetzen Pelz im Wald entdecken, werden sie schießen. Wenn wir rennen wollen, müssen wir uns einen Ort suchen, der weit genug von Bear Valley entfernt ist.«
    »Verdammt noch mal«, sagte Nick kopfschüttelnd. »Wenn wir rauskriegen, wer für all das verantwortlich ist, bezahlt der dafür.«
    »Oh, ich habe eine ziemlich klare Vorstellung, wer verantwortlich ist«, sagte ich.
    Ich nahm das Büschel Pelz aus der Tasche und warf es auf den Schemel. Nick sah einen Moment lang verwirrt darauf hinab. Dann wurden seine Augen weit, und er starrte mich an. Ich wich seinem Blick aus; ich wollte den Unglauben nicht sehen. Antonio warf einen Blick auf das Pelzbüschel, lehnte sich dann zurück und sagte nichts.
    Etwa eine Stunde später war ich wieder allein im Arbeitszimmer; die anderen hatten sich verzogen, um einen aktiveren Zeitvertreib oder anregendere Gesellschaft zu finden. Während ich dort saß, glitt mein Blick zu dem Schreibtisch auf der anderen Seite des Zimmers hinüber. Die Platte war immer noch mit Papierstößen und anthropologischen Fachzeitschriften beladen. Sie erinnerten mich daran, wie ich Clay kennen gelernt hatte, wie ich überhaupt in den ganzen Schlamassel hineingeraten war. Als ich noch an der Universität von Toronto studierte, hatte ich ein gewisses Interesse an Anthropologie entwickelt. Im zweiten Studienjahr hatte ich eine Seminararbeit über anthropomorphe Religionen geschrieben, die Clays Spezialgebiet waren, und ich hatte in der Bibliographie genug Werke von

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