Die Nacht der Wölfin
ihm aufgeführt, um seinen Namen zu erkennen, als ich in der Studentenzeitung eine Ankündigung seiner Vorlesungsreihe entdeckte. Seine öffentlichen Auftritte waren so selten, dass der Hörsaal rappelvoll gewesen war und ich mich nachträglich einschleichen musste. Der größte Fehler meines Lebens.
Ich weiß nicht, was Clay in mir sah, das ihn seine Verachtung für Menschen zeitweise vergessen ließ. Er sagte, er habe etwas in mir widergespiegelt gesehen, das er von sich selbst kannte. Das ist natürlich Blödsinn. Ich war in keiner Hinsicht wie er, und wenn ich es jetzt bin, dann bin ich es geworden, nachdem er mich gebissen hatte. Hätte man mich einfach in Frieden gelassen, wäre ich erwachsen geworden, hätte mich angepasst und wäre ein vollkommen zufriedener, ausgeglichener Mensch geworden, der seine Kindheitserlebnisse und seine ganze Wut hinter sich gelassen hätte. Da bin ich mir ganz sicher.
»Blut«, sagte Clay, während er die Arbeitszimmertür so heftig aufriss, dass sie die Wand rammte und dort den gesammelten Dellen der letzten zehn Jahre eine weitere hinzufügte. »Wo war das Blut?«
»Was für Blut?«
»Wenn ich den Typ umgebracht hätte, wäre Blut an mir gewesen.«
»Das hast du im Teich abgewaschen. Deswegen die Story, dass du die Wassertemperatur geprüft hättest. Es hat erklärt, warum du nass warst.«
»Story? Was zum –« Er brach ab, atmete ein und begann von vorn. »Okay. Nehmen wir an, ich hab mich im Teich gewaschen und dann beschlossen, lieber eine Entschuldigung dafür zu erfinden, dass ich nass bin, als mich einfach abzutrocknen. Du hättest das Blut immer noch an mir gerochen. Den Geruch wäre ich nicht so einfach losgeworden.«
»Aber er wäre ziemlich schwach gewesen. Ich hätte eigens danach schnuppern müssen.«
»Na los, dann schnupper danach. Komm schon.« Er fing meinen Blick auf und hielt ihn fest. »Wenn du dich traust.«
»Inzwischen hast du genug Zeit gehabt, dich zu waschen.«
»Dann sieh doch in meiner Dusche nach. Sieh dich nach Wasserspritzern um. Überprüf die Handtücher. Sieh doch nach, ob sie feucht sind.«
»Du hast jetzt natürlich alle Spuren beseitigt. Du bist doch nicht dumm.«
»Nein, bloß dumm genug, um eine Leiche im Wald liegen zu lassen mit meinen Fußspuren und Pelzresten drumrum. Warum versuche ich's eigentlich noch? Nichts, was ich sage, wird deine Meinung ändern. Und weißt du auch, warum? Weil du glauben willst, dass ich's war. So kannst du dich nämlich hier verkriechen und dir selbst erzählen, wie falsch es war, gestern Abend zu mir zu kommen, dich dafür verfluchen, dass du mir wieder mal nachgegeben hast und dabei ganz vergessen hast, was ich für ein Monster bin.«
»Das ist nicht das, was –«
»Nein, wirklich nicht?« Er trat vor. »Sieh mir ins Gesicht und sag mir, dass es nicht das ist, was du die letzte Stunde über getan hast.« Ich stierte ihn wütend an und sagte nichts. Clay stand mindestens eine Minute lang einfach da, dann warf er die Hände in die Luft und stürmte hinaus.
Etwas später kam Jeremy herein. Ohne ein Wort zu sagen, ging er zum Schemel hinüber, nahm das Büschel von Clays Haar in die Hand und betrachtete es, dann legte er es wieder hin und setzte sich in seinen Sessel.
»Du glaubst nicht, dass er es getan hat, stimmt's?«, fragte ich.
»Wenn ich jetzt Nein sage, wirst du versuchen, mich vom Gegenteil zu überzeugen. Wenn ich Ja sage, wirst du es als Munition gegen ihn verwenden. Es ist nicht wichtig, was ich glaube. Wichtig ist nur, was du glaubst.«
»Ich war mal bei einem Therapeuten, der hat sich genauso angehört. Ich hab ihm nach zwei Sitzungen den Laufpass gegeben.«
»Das glaube ich dir gern.«
Ich wusste nicht recht, was ich darauf antworten sollte, also sagte ich gar nichts. Stattdessen entwickelte ich ein intensives Interesse an dem Muster des türkischen Teppichs auf dem Fußboden. Jeremy lehnte sich zurück und beobachtete mich eine Weile, bevor er weitersprach.
»Hast du ihn angerufen?«
»Wen?«, fragte ich, obwohl ich mir denken konnte, wen er meinte.
»Den Mann in Toronto.«
»Er hat einen Namen – übrigens bin ich mir sicher, du kennst ihn.«
»Hast du ihn angerufen?«
»Ich habe vorgestern angerufen. Gestern war die reine Hölle, wenn du dich erinnerst, und heute Morgen war ich mit anderen Dingen beschäftigt.«
»Du musst ihn jeden Tag anrufen, Elena. Sorg dafür, dass er weiß, es geht dir gut. Gib ihm keine Entschuldigung, hier anzurufen oder aufzutauchen.«
»Er
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