Die Nacht des einsamen Träumers.
geschossen hat? Glauben Sie, dass die Warnung an Sie beide gerichtet war?«
»Ich bin sicher. Auch weil kein Tag vergeht, an dem er nicht
anruft und uns bedroht. Aber Salvatore und Francesco haben keine Angst. Ich habe Angst, um mich und um sie. Er ist gewalttätig, ich kenne ihn gut.«
»Was will er von Ihnen?«
»Dass ich Salvatore verlasse und zu ihm zurückkehre.«
»Waren Sie seine Geliebte?«
»Ja. Aber es geht ihm nicht um Liebe, Commissario. Es geht ihm darum, dass er sich vor seinen Freunden blamiert hat, vor Leuten wie ihm. Er will allen wieder seine Stärke und seine Macht demonstrieren.«
»Haben Sie studiert?«
Djalma hatte die Frage nicht erwartet und sah ihn an.
»Ja... zu Hause. Und wenn ich verheiratet bin, möchte ich weiter studieren.«
»Sie sprechen ausgezeichnet Italienisch«, sagte Montalbano und erhob sich.
»Danke«, sagte Djalma verwirrt.
»Warum hat mir Ihr Verlobter nicht gesagt, was los ist?«
»Er sagte zu mir, er würde sich in einer Privatangelegenheit nie an die Polizei wenden. Bei uns, unten in Tunesien, ist das auch so.«
»Tja«, sagte Montalbano bitter. »Eine letzte Bitte: Name und Adresse Ihres ehemaligen Zuhälters. Und herzliche Glückwünsche zu Ihrer Hochzeit.«
In einem Auto versteckt, das unschuldig und zufällig vor dem Rathaus geparkt schien, schoben Gallo, Galluzzo, Fazio und Ingrò acht Nächte hintereinander abwechselnd Wache bei dem Schaukasten. In der Nacht vor der Trauung von Salvatore und Djalma näherte sich leise ein Auto, hielt an, und ein Mann stieg aus, in der einen Hand eine Flasche und in der anderen einen Lappen. Er blickte um sich und schlich unter die Säulen. Dann öffnete er die Flasche und goss den Inhalt über den Schaukasten, vor allem über den Holzrahmen. Da begriff Fazio, der Wachdienst hatte, was der Mann vorhatte. Er sprang aus dem Auto und richtete die Pistole auf ihn. »Stehen bleiben! Polizei!«
Fluchend hob der Mann die Hände, die leere Flasche in der einen, den Lappen in der anderen Hand. Der Geruch des Benzins war so stark, dass es Fazio schlecht wurde.
»Er heißt so, wie Sie gesagt hatten, Dottore: Nicola Lopresti. Er ist vorbestraft wegen Zuhälterei und Gewalttätigkeiten und so weiter. Er hatte einen geladenen Revolver in der Tasche.«
»Waffenschein?«
»Nein. Und die Registriernummer ausgefeilt. Und das hatte er auch in der Hosentasche.«
Er stellte ein kleines Fläschchen ohne Etikett auf Montalbanos Schreibtisch. »Was ist das?«
»Vitriol. Er wollte ihr bei der Trauung das Gesicht entstellen. Jetzt hol ich ihn her.«
»Ich will ihn nicht sehen«, sagte Montalbano.
Die gefangene Fliege
Seit über einem Jahr hatte Montalbano Preside Burgio und dessen Frau, Signora Angelina, nicht mehr gesehen. Hin und wieder sehnte er sich nach ihnen, nach ihrer warmherzigen Freundschaft, und es verging keine Woche, in der er sich nicht hoch und heilig schwor, ein Lebenszeichen von sich zu geben, und sei es nur telefonisch. Dann war er wieder mit allem Möglichen beschäftigt und vergaß seinen Vorsatz vollkommen. Preside Burgio war seit fünfzehn Jahren nicht mehr Schuldirektor, aber jeder in der Stadt nannte ihn noch immer so, aus Respekt. Er war über siebzig, geistig und körperlich fit, und war Montalbano zusammen mit seiner Frau, einer kleinen, zierlichen Person, die auf eine leichte und elegante Art kochte, in einem komplizierten Fall, genannt »Der Hund aus Terracotta«, einmal eine große Hilfe gewesen.
» Pronto , Dottor Montalbano, hier ist Preside Burgio.« Der Commissario empfand anfangs Verlegenheit und Scham. Er hätte sich melden müssen, es nicht so weit kommen lassen dürfen, dass ein alter Herr zuerst anrief. Aber gleich darauf war er besorgt.
Ohne guten Tag zu sagen, fragte er: »Wie geht es Signora Angelina?«
»Gut, Commissario, gut, mal abgesehen von den Alterszipperlein. Ich kann auch nicht klagen. Neulich habe ich Sie in Montelusa gesehen, bei der Questura...«
»Warum haben Sie mich nicht gerufen?«
»Ich wollte Sie nicht stören. Ich erzählte es meiner Frau, und Angelina machte mich darauf aufmerksam, dass wir uns schon lange nicht mehr gesehen haben.«
»Tut mir furchtbar Leid, Signor Preside. Glauben Sie mir,
dieses letzte Jahr war...« Der Preside lachte.
»Sie brauchen sich nicht dafür zu rechtfertigen, dass Sie sich nicht gemeldet haben! Der Grund, warum ich anrufe... Was machen Sie heute
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