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Die Nacht des einsamen Träumers.

Die Nacht des einsamen Träumers.

Titel: Die Nacht des einsamen Träumers. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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ganz normal vor. Überall ist zu hören, dass dieser Còsimo Pillitteri ein sehr anständiger Mann ist. Er verkauft Fisch auf dem Markt, vor zwei Jahren wurde er Witwer, seine Frau ist an einem Tumor gestorben. Er hat zwei Söhne, einer ist zehn, der andere acht, und er kann sich nicht um sie kümmern... Deshalb heiratet er Agatina Tuttolomondo, sie ist Hausfrau und war mit seiner Frau befreundet. Ich finde daran nichts merkwürdig.« Das hatte sich der Commissario schon gedacht, als er die Liste mit den Brautpaaren aufstellte. Und er beglückwünschte sich zu seiner Intuition. Doch Fazios Bericht widerlegte seine bissigen Unterstellungen. »Diese Filippa Di Stefano, Witwe und vierzig Jahre alt, heiratet zwar den acht Jahre jüngeren Alfonso Serraino. Aber es ist nicht so, wie man im ersten Augenblick denkt, Commissario.«

    »Was dachtest du denn?«
    »Die reiche Witwe, die sich einen jungen Mann angelt.«

    »Und wie ist es dann?«
      »Commissario, Alfonso Serraino ist seit einem Autounfall vor etwa zehn Jahren gelähmt, er ist an den Rollstuhl gefesselt. Seine Mutter hat ihn gepflegt, aber jetzt ist die Mutter...«
      »Schon gut«, sagte Montalbano und bat die Witwe Di Stefano im Stillen um Verzeihung. Auch Gallo widerlegte seine Unterstellungen. »Gerlando Cascio arbeitet seit acht Jahren in Düsseldorf, er ist Kellner in einem Restaurant, und dort hat er Ulrike Roth kennen gelernt, die er jetzt heiratet. Nach der Trauung wollen sie nach Deutschland zurück, und sie nehmen auch Calogero und Umberto mit, zwei Brüder von Gerlando. Sie werden alle in der Restaurantkette arbeiten, die Ulrike Roth gehört.«

      Als er schlafen ging, war er fast so weit, die Geschichte mit den Aufgeboten sein zu lassen. Manchmal, wenn er sich in etwas festbiss, hatte er einen schlimmeren Dickschädel als ein Kalabrese. Es war wohl doch, was Fazio gesagt hatte: ein Scherz. Und wenn es kein Junge, sondern ein erwachsener Mann war, was soll's. Vielleicht hatte er irgendeine blöde Wette geschlossen. Er schlief gut, und als morgens um halb acht das Telefon klingelte, war er schon fertig, um das Haus zu verlassen.
    »Pronti? Pronti! Dottore! Pronti! Jemand hat auf die Hochze itszettel geschossen!«

      Signora Assunta Pezzino, deren Schlafzimmer direkt gegenüber dem Rathaus lag, erklärte:
      »Das ist zum Verrücktwerden! Zum Verrücktwerden! Diese Lümmel amüsieren sich und lachen bis zwei Uhr nachts! Und ich kann nicht schlafen! Wenn sie mit ihren Motorrädern und Mofas kommen und wieder wegfahren, machen sie einen Höllenlärm! Gestern Nacht wurde es um zwei endlich ruhig, und ich bin eingenickt. Keine halbe Stunde später bin ich von einem Bremsgeräusch wieder aufgewacht. Und gleich darauf ein Schuss. Dann hab ich gehört, wie das Auto mit quietschenden Reifen wieder losgefahren ist. So was geht doch nicht! Dass man die ganze Nacht kein Auge zutut! Kann man denn gar nichts machen, damit diese Lümmel hinter Schloss und Riegel kommen?«
      Das Geschoss hatte die Glasscheibe des Schaukastens zertrümmert, hatte den Kasten durchbohrt und war tief in der Mauer stecken geblieben.
      »Glück gehabt«, sagte Signor Crisafulli. »Der Schuss hat kein einziges Aufgebot richtig getroffen. Er hat bei einem den oberen Rand angesengt, an einer Stelle, wo es nichts ausmacht.«
    »Glauben Sie an einen Scherz?«

    »Nein«, sagte Signor Crisafulli.
      Eines war sicher: Mit dem Schuss hatte der Unbekannte den Sinn seiner Manzoni-Übersetzung noch deutlicher gemacht.
    »Matteo Interdona to hatte sich in Marianna Costa verliebt, als er noch keine neunzehn war. Auch die siebzehnjährige Marianna, die aus einer wohlhabenden Familie stammte, verlor ihr Herz an Matteo, der hoch gewachsen und dunkel war und Augen wie der Teufel hatte. Aber er war das Kind armer Leute, seine Mutter verdiente sich ihr Brot mit Putzen, und der Vater war Straßenkehrer. ›Niemals!‹, sagten Mariannas Eltern. Um richtig deutlich zu machen, wie sehr sie dagegen waren, trat Mariannas zwanzigjähriger Bruder, ein Schrank von einem Mann namens Antonio, Matteo eines Abends in den Weg und brach ihm sämtliche Knochen. Dann nahmen sie das Mädchen und schickten es nach Palermo in ein Internat.
      Am Sonntag gingen die Mädchen immer in Zweierreihen spazieren. Einmal im Monat nahm Matteo, wenn er das Geld für die Reise zusammengekratzt hatte, den Zug, fuhr nach Palermo und wartete dort, und wenn Marianna mit ihren Schulkameradinnen vorbeikam, sahen sie sich an.

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