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Die Nacht des einsamen Träumers.

Die Nacht des einsamen Träumers.

Titel: Die Nacht des einsamen Träumers. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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Täter nicht mit Platzpatronen geschossen hat, dass er es im letzten Augenblick bereut und die Waffe weggedreht hat... Alles Quatsch. Es war eine Eskalation, wie der Questore sagt. Klug ausgedacht. Er wird mit Platzpatronen schießen, da kannst du Gift drauf nehmen.«
      »Salvo, erklär mir das. Da wir den Schützen nur aus reinem Zufall erwischen können, bedeutet das also, dass, in dieser Reihenfolge, noch mal auf zwei Frauen mit Platzpatronen geschossen wird, eine einen Streifschuss bekommt und die letzte getötet wird?«
      »Nein, Mimi. Wenn ich Recht habe, wird nur noch auf eine alte Frau mit Platzpatronen geschossen, und die wird einen furchtbaren Schreck kriegen. Hoffentlich hält ihr Herz das aus. Aber dann ist alles vorbei, es wird keine weiteren Überfälle geben.«

      Zwei Monate nach der prunkvollen Beerdigung von Signora Joppolo klingelte morgens um sieben, als Montalbano noch schlief, weil er um vier ins Bett gegangen war, in Marinella das Telefon. Fluchend jaulte der Commissario:
    »Wer ist da?«

    »Du hattest Recht«, sagte Augellos Stimme.
    »Wovon redest du?«
    »Er hat wieder auf ein altes Frauchen geschossen.«

    »Hat er sie getötet?«
    »Nein. Wahrscheinlich war es eine Platzpatrone.«

    »Ich komme sofort.«

    Unter der Dusche sang der Commissario aus voller Kehle O toreador ritorna vincitor.

      Altes Frauchen, hatte Mimi am Telefon gesagt. Signora Rosa Lo Curto saß kerzengerade vor Montalbano. Sie war dick, temperamentvoll und redselig und sah zehn Jahre jünger aus als die sechzig, die sie angegeben hatte. »Waren Sie auf dem Weg in die Kirche, Signora?«

      »Ich?! Ich setze keinen Fuß in eine Kirche, seit ich acht Jahre alt war.«

    »Sind Sie verheiratet?«
      »Ich bin seit fünf Jahren Witwe. Ich habe in der Schweiz geheiratet, standesamtlich. Ich ertrage keine Pfarrer.«

    »Warum sind Sie so früh aus dem Haus gegangen?«
      »Eine Freundin hatte mich angerufen. Bajo Michela heißt sie. Sie hatte eine schlimme Nacht. Sie ist krank. Da habe ich gesagt, dass ich zu ihr komme. Ich habe auch eine Flasche guten Wein mitgenommen, einen, den sie mag. Ich fand keine Plastiktüte, also trug ich die Flasche in der Hand, bis zu Michela sind es nämlich nur fünf Minuten zu Fuß.«

    »Was genau ist passiert?«
      »Das Übliche. Ein Moped überholte mich. Dann wendete der Fahrer scharf und fuhr wieder zurück. Ein paar Schritte vor mir hielt er an, zückte einen Revolver und zielte auf mich. ›Her mit der Handtasche«, sagte er.

    »Und was haben Sie gemacht?«
    »›Kein Problem‹, habe ich gesagt und die Hand mit der Tasche ausgestreckt. Als er die Tasche nahm, schoss er auf mich. Aber ich habe nichts gespürt, mir war klar, dass er mich nicht getroffen hatte. Da habe ich mit aller Kraft die Flasche auf der Hand zertrümmert, die die Tasche hielt, sie lag auf dem Lenker, er wollte gerade Gas geben und losfahren. Ihre Leute haben die Scherben aufgesammelt. Sie sind voller Blut. Ich muss ihm die Hand zerschlagen haben, diesem Scheißkerl. Die Handtasche hat er mitgenommen. Aber ich hatte sowieso nur etwa zehntausend Lire drin.«
      Montalbano erhob sich und reichte ihr die Hand. »Signora, meine aufrichtigste Hochachtung.«

      Da Signora Lo Curto im Interview erklärt hatte, es wäre ihr im Traum nicht eingefallen, am Morgen des Überfalls in die Kirche zu gehen, überging der Kommentator von »Televigàta« sein Lieblingsthema, die nach der Entvölkerung der Kirchen trachtende Verschwörung. Wer nicht darüber hinwegging, war Bonetti-Alderighi. »O nein! O nein! Geht das jetzt schon wieder los? Sie werden sehen, die öffentliche Meinung wird ob unserer Trägheit empört sein! Ach was, wieso unserer? Ihrer, Montalbano!«
      Der Commissario konnte sich ein kleines Grinsen nicht verkneifen, das den Questore noch mehr in Rage brachte. »Da gibt's nichts zu grinsen, Herrgott noch mal!«
      »Wenn Sie mir zwei Tage Zeit geben, bringe ich die beiden her.«
    »Welche beiden?«
      »Den Auftraggeber und den Handlanger der Überfalle und des Mordes.«
    »Soll das ein Witz sein?«

      »Keineswegs. Den letzten Überfall hatte ich vorausgesehen. Er war sozusagen die Probe aufs Exempel.«
      Bonetti-Alderighi blickte nicht mehr durch, seine Kehle fühlte sich trocken an. Er rief einen Wachtmeister.
    »Bring mir ein Glas Wasser. Wollen Sie auch eins?«

    »Ich nicht«, sagte Montalbano.
      »Commissario! Was für eine schöne Überraschung! Was führt Sie nach

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