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Die Nacht des einsamen Träumers.

Die Nacht des einsamen Träumers.

Titel: Die Nacht des einsamen Träumers. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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hinaus auf die Straße, wo der Mörder sie erwartet, bereit, den einfallsreichen Plan, den Sie ausgeheckt haben, zu Ende zu führen.« Der tüchtige Advokat Giuseppe Joppolo verlor die Contenance.
    »Du hast nicht den geringsten Beweis, du Arschloch!«
    »Vielleicht ist Ihnen nicht bekannt, dass Ihr Komplize eine kaputte Hand hat, weil sein letztes Opfer ihm mit einer Flasche darauf geschlagen hat. Er hat sich sogar im Krankenhaus Montelusa behandeln lassen. Wir haben ihn festgenommen. Meine Leute haben ihn gerade in der Mangel. Eine Frage von Stunden. Er wird gestehen.«
      »Großer Gott!«, sagte Awocato Joppolo und plumpste auf den nächsten Stuhl. Kein Wort stimmte an der Geschichte mit dem festgenommenen Komplizen, er hatte ihm einen Bären aufgebunden, eine Falle gestellt, saltafosso nannte man das im Polizeijargon. Und in diese Falle war der Awocato schnurstracks hineingelaufen.

Erklärt Pessoa

      Montalbano war um sechs Uhr morgens aufgestanden, was ihn an sich nicht weiter gestört hätte, wenn es nicht so ein scheußlicher Tag gewesen wäre. Es fiel ein feiner Regen, der so tat, als gäbe es ihn nicht, jener Regen, den die Bauern assuppaviddranu, »Bauerndurchnässer«, nannten. Früher, als man noch auf dem Feld arbeitete, hörte der viddrano, der Bauer, bei einem solchen Regen nicht auf, er arbeitete weiter mit der Hacke, der Regen ist ja so fein, dass man meint, es regnet gar nicht: Folglich waren seine Kleider, wenn er abends nach Hause kam, wie eingeweicht. So wurde die schlechte Laune des Commissario nur noch schlechter; er sollte sich an diesem Vormittag um halb zehn in Palermo einfinden, zwei Autostunden entfernt, um an einer Tagung teilzunehmen, die das Unmögliche zum Thema hatte, nämlich Mittel und Methoden zu finden, bei den Tausenden von Illegalen, die mit Booten auf der Insel landeten, zu unterscheiden, welche Menschen in Not waren und Arbeit suchten oder vor den Gräueln mehr oder weniger unmenschlicher Bürgerkriege geflohen waren und welche dagegen echte Verbrecher waren, eingeschleust mit den Scharen der Verzweifelten. Irgend so ein Genie aus dem Ministerium behauptete, eine praktisch unfehlbare Methode gefunden zu haben, und der Herr Minister hatte entschieden, dass alle für die Sicherheit auf der Insel Verantwortlichen gebührend ins Bild zu setzen seien. Montalbano hatte gedacht, diesem Ministerialgenie müsste man den Nobelpreis verleihen: Es war ihm nichts Geringeres gelungen, als eine Methode zu erfinden, mit der man das Gute vom Bösen unterscheiden konnte.

    Es war schon fünf Uhr nachmittags, als er sich wieder ins Auto setzte, um nach Vigàta zurückzufahren. Er war verärgert, die Entdeckung des Ministerialgenies war mit kaum verhohlenem Grinsen aufgenommen worden, da sie so gut wie undurchführbar war. Ein vertaner Tag. Er hatte es ja gleich gewusst.
      Nicht gewusst hatte er, dass keiner seiner Leute im Kommissariat war. Nicht mal Catarella war da. Wo steckten die nur? Er hörte Schritte im Flur. Es war Catarella, der außer Atem ankam.
      » M'ascusasse, Dottore, entschuldigen Sie. Ich war in der Apotheke, ich hab Aspirin gekauft. Ich krieg eine Verkältung.«

    »Und die anderen, wo sind die?«
      »Der Dottore Augello hat eine Verkältung, Galluzzo hat eine Verkältung, Fazio und Gallo...«

    »... haben eine Verkältung.«
    » Nonsi , Dottore. Denen geht's gut.«
    »Wo sind sie?«
      »Die sind dahin, wo einer ermordet worden ist.« Da sieht man es mal wieder: Kaum ist man einen halben Tag fort, nutzen sie es aus und schnappen sich sofort einen Mordfall.
    »Weißt du, wo das ist?«
    » Sissi, Dottore. In der Contrada Ulivuzza.«
      Wie kam man dahin? Wenn er Catarella fragte, schickte der ihn womöglich zum nördlichen Polarkreis. Da fiel ihm ein, dass Fazio ein Handy hatte.
      »Aber was wollen Sie hier, Dottore? Der Staatsanwalt hat den Abtransport veranlasst, Dottor Pasquano hat ihn sich angesehen, die Spurensicherung ist gleich fertig.«
      »Ich komme trotzdem. Wartet dort auf mich, du und Gallo. Erklär mir genau den Weg.«
    Er hätte natürlich Fazios Rat befolgen und im Kommissariat bleiben können. Aber er hatte das Bedürfnis, sich gewissermaßen zu entschädigen für diesen sinnlosen Tag, den er mit gut vier Stunden im Auto und einer Flut nichts sagenden Geredes vertan hatte.

      Die Contrada Ulivuzza lag genau an der Grenze zu Montelusa, hundert Meter weiter, und das Kommissariat von Vigàta hätte nichts mit der Geschichte zu tun

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