Die Nacht des einsamen Träumers.
versiegelt sie. Es muss aussehen, als wäre niemand hier.«
»Aus welchem Grund sollten die denn wiederkommen?«, fragte Fazio.
»Ich weiß es nicht, aber tut, was ich euch sage. Du, Fazio, bringst meinen Wagen nach Vigàta. Ach ja, noch was: Bevor ihr weggeht, wenn ihr die Tür versiegelt habt, geht ihr in den Stall und kümmert euch um den Esel. Das arme Tier muss Hunger und Durst haben.«
»Wie Sie wünschen«, sagte Fazio. »Soll ich Sie morgen Vormittag mit Ihrem Auto abholen?«
»Nein, danke. Ich gehe zu Fuß nach Vigàta.«
»Aber das ist weit!«
Montalbano sah ihm in die Augen, und Fazio wagte nicht zu widersprechen.
»Commissario, darf ich Sie was fragen, bevor ich gehe? Warum stimmt das nicht, was wir uns zu dem Mord an Giacomo Firetto überlegt haben?«
»Weil Firetto beim Essen am Tisch saß und die Tür im Blick
hatte. Wenn jemand hereingekommen wäre, hätte er ihn gesehen und reagiert. Doch hier im Zimmer ist alles in Ordnung, nichts deutet auf ein Handgemenge hin.«
»Und wenn schon? Vielleicht ist der eine reingekommen, hat eine Waffe auf Giacomo gerichtet und ihm befohlen, zu bleiben, wo er ist, und ihn die ganze Zeit im Visier gehabt, und der andere ist inzwischen um den Tisch herumgelaufen und hat ihm ins Genick geschossen.«
»Und du glaubst, dass Giacomo Firetto, nach dem, was ihr mir erzählt habt, der Typ ist, der reglos und verängstigt dasitzt und sich abknallen lässt? Er weiß, dass er sterben muss, da wehrt er sich doch mit aller Kraft. Also dann, gute Nacht.«
Er hörte, wie sie die Tür schlossen, mit den Siegeln hantierten (einem Stück Papier, gestempelt und mit irgendwas bekritzelt, das mit zwei Streifen Klebeband über die Türritze geklebt wird), hörte sie im Stall herumfuhrwerken und fluchen, als sie den Esel versorgten (anscheinend wollte der Esel mit zwei Fremden nichts zu tun haben), hörte sie die Autos starten und wegfahren. Reglos blieb er in der vollkommenen Dunkelheit noch neben dem Tisch stehen. Nach ein paar Sekunden drang das Geräusch des Regens an sein Ohr, der erneut fiel.
Er zog das Jackett, die Krawatte, die er noch anhatte und die er sich wegen der Tagung in Palermo hatte umbinden müssen, und das Hemd aus, jetzt war sein Oberkörper nackt. Mit der Taschenlampe in der Hand ging er entschlossen zu dem Backofen, nahm die Blechabdeckung und stellte sie auf den Boden, wobei er versuchte, keinen Lärm zu machen, er steckte den Arm in den Backofen und knipste die Taschenlampe an. Er stellte sich auf die Zehenspitzen und schlüpfte auch mit dem ganzen Oberkörper in den Ofen. Er drehte sich und lag nun rücklings auf dem Sims, mit dem Körper zur Hälfte im Backofen; Hintern, Beine und Füße blieben draußen. Ein wenig Ruß fiel ihm in die Augen, doch den Revolver konnte er trotzdem sehen, er war direkt hinter der Öffnung an der Wölbung des Backofens mit zwei Streifen Paketklebeband befestigt, die im Lichtschein glänzten. Er knipste die Taschenlampe aus, schlüpfte aus dem Backofen, lehnte das Blech an, säuberte sich, so gut es ging, mit seinem Taschentuch und zog Hemd und Jacke wieder an, die Krawatte steckte er ein.
Dann setzte er sich auf einen Stuhl, dicht vor dem Herd mit den zwei Kochstellen. Hier dachte der Commissario, aber nicht nur um die Zeit herumzubringen, an etwas, was er einige Tage zuvor gelesen hatte. Pessoa erklärt, mit den Worten, die er einer seiner Figuren, dem Detektiv Quaresma, in den Mund legt, dass sich jemand, der eine Straße entlanggeht und einen auf den Gehsteig gestürzten Mann sieht, instinktiv fragt: Aus welchem Grund ist der Mann hier gestürzt? Aber, erklärt Pessoa, bereits hier liegt ein Irrtum in der Schlussfolgerung vor und damit die Möglichkeit, das tatsächlich Geschehene misszuverstehen. Derjenige, der vorbeikam, sah den Mann nicht dort stürzen, er sah ihn bereits gestürzt. Es ist keine Tatsache, dass der Mann an dieser Stelle gestürzt ist. Eine Tatsache ist lediglich, dass er dort auf dem Boden liegt. Möglicherweise ist er an einer anderen Stelle gestürzt, und man hat ihn auf den Gehsteig gelegt. Noch ganz andere Sachen sind möglich, erklärt Pessoa.
Wie sollte er Fazio und Gallo also klar machen, dass, abgesehen von dem Toten, die einzige Tatsache an der Geschichte war, dass Antonio Firetto in dem Augenblick, als sie beide ankamen, nicht am Tatort war? Dass die Mörder seines Sohnes ihn mitgenommen hätten, war absolut keine Tatsache, sondern ein Irrtum in
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