Die Nacht des einsamen Träumers.
Fenster rauszuwerfen.«
»Geizig bist du jetzt auch noch geworden? Soviel ich weiß, kann man in den Weihnachtstagen Interkontinentalgespräche von zwanzig Minuten führen und zahlt nur zehn. Oder so was Ähnliches. Du kannst dich ja erkundigen.«
»Fröhliche Weihnachten«, quetschte Montalbano durch die Zähne.
»Nein, mein Lieber. Das will ich entweder am Tag vor Heiligabend oder an Heiligabend selbst von dir hören«, sagte Livia stur und legte auf.
Und so nahm er aus reinem Masochismus die Einladung seines Freundes Valente – Vicequestore und jetzt Leiter eines Kommissariats am Stadtrand von Palermo – an, Weihnachten bei ihm zu verbringen. Aus Masochismus, denn Valentes Frau Giulia, die aus Sestri in Ligurien stammte und in Livias Alter war, kochte (aber konnte man das Wort in diesem Spezialfall verwenden?), wie kleine Kinder kochen, wenn sie in einer Schüssel zerkrümeltes Brot, Zucker, Paprikaschoten, Mehl und alles, was ihnen zwischen die Finger kommt, zusammenrühren und dir dann servieren und sagen, sie hätten dir was zu essen gemacht. Als er mit dem Auto vor dem Hotel, das er gewählt hatte, hielt, begriff er, dass das, was er Masochismus nannte, in Wirklichkeit ein Akt der Buße war, weil er zu Livia so grob gewesen war. Zu Valente hatte er gesagt, er komme am Vierundzwanzigsten morgens. Doch er hatte vor, am Abend des Dreiundzwanzigsten in Palermo durch die Straßen zu schlendern, ohne sich mit irgendwem unterhalten zu müssen. Allerdings hatte er vergessen, dass die Leute zu Weihnachten wie besessen Geschenke kaufen, die Geschäfte waren hell erleuchtet, in den Straßen wimmelte es von Menschen, die Schriftzüge auf den Lichterbögen wünschten Glück und Frieden. Er lief eine Stunde lang herum, wobei er sorgfältig eine Route wählte, die einen möglichst großen Bogen um die Kaufaktivitäten machte, doch auch in der trostlosesten Gasse gab es immer noch einen kleinen Laden, dessen Schaufenster mit einer bunten Lichterkette dekoriert war, die sich rhythmisch ein- und ausschaltete. Ohne Vorwarnung, ohne dass er den Grund dafür wusste, befiel ihn tiefe Melancholie. Er erinnerte sich an ein Weihnachten, als er, noch ein kleines Kind...
Basta. Er beschloss, unverzüglich Abhilfe zu schaffen. Er beschleunigte den Schritt und kam schließlich zu einer Osteria, die er immer aufsuchte, wenn er in Palermo war. Er trat ein und stellte fest, dass er der einzige Gast war. Der Wirt und Kellner des Lokals, sechs kleine Tische im Ganzen, hieß Don Peppe. Seine Frau stand in der Küche und wusste, was sich gehörte. Don Peppe kannte Montalbano mit Vor- und Nachnamen, aber welchem Beruf er nachging, wusste er nicht: Wenn er es gewusst hätte, hätte er sich vielleicht weniger gesprächig gezeigt, denn in seiner Osteria verkehrten etwas zwielichtige Gestalten.
Mit vor Lust halb geschlossenen Augen hatte er sich involtini di milanzane mit Pasta und geriebener Ricotta zu Gemüte geführt und wartete auf den zweiten Gang, als Don Peppe zu ihm kam.
»Sie werden am Telefon verlangt, Signor Montalbano.« Der Commissario war überrascht. Wer konnte wissen, dass er in diesem Augenblick hier saß? Das war bestimmt ein Irrtum. Wie dem auch sei, er stand auf und ging ans Telefon, das auf einem Tischchen neben der Toilettentür stand. »Pronto?«
»Bist du Montalbano?«
»Ja, hier ist Montalbano, aber...«
»Kein aber. Du hast akzeptiert, also mach keine Geschichten. Die erste Hälfte von dem Geld hast du schon gekriegt. Hör zu: Du triffst die Person um Mitternacht an. Via Rosales 32, eine kleine Villa. Du erledigst die Sache sauber. Danach rufst du mich an und berichtest. Die Nummer ist 001 21 26 78 33 46. Dann sage ich dir, wo du das restliche Geld abholen kannst. Ruf an, klar?«
Großer Gott! Der war ja in New York! Er wusste es, weil die ersten sechs Zahlen die gleichen waren wie bei der Nummer, die Livia ihm gegeben hatte. Ein Irrtum, wie er sofort gedacht hatte, ein Fall von Namensgleichheit. »Entschuldigen Sie, Don Peppe, haben Sie noch andere Gäste, die wie ich heißen?«
»Nein. Warum?« Ein Mann trat ein und setzte sich an einen Tisch. Um die dreißig und mit einem Gesicht zum Fürchten, wenn man ihm nachts allein begegnete. »Wie heißen Sie?«
»Das geht Sie einen Scheißdreck an.«
»Ich bin Kriminalkommissar. Wie heißen Sie?«
»Filippazzo Michele. Wollen Sie meinen Ausweis sehen?«
»Nein«, sagte Montalbano.
Filippazzo stand auf und sagte, an den
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