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Die Nacht des einsamen Träumers.

Die Nacht des einsamen Träumers.

Titel: Die Nacht des einsamen Träumers. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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spät, und es waren keine Leute mehr auf der Straße. Niemand konnte mir etwas sagen. Da bin ich erst zu den Carabinieri und dann hierher gegangen. Ich habe in Vigàta und Montelusa in den Krankenhäusern gesucht, in den Nachbardörfern, Klöstern, Kirchen, bei karitativen Vereinen... Sie war nirgends.«
    »War die Signora gläubig?«
      »Sonntags ging sie in die Kirche. Aber sie hat weder gebeichtet, noch ist sie zur Kommunion gegangen. Sie wollte sich nicht mal einem Pfarrer anvertrauen.« Er nahm sich sichtbar zusammen, um den Commissario mit ganz leiser Stimme zu fragen:
      »Hat sie sich umgebracht? Oder ist sie erfroren? Vor drei Monaten war es eisig kalt.« Montalbano breitete die Arme aus.

    »Nein, sie ist nicht erfroren oder an Erschöpfung gestorben«, sagte Dottor Pasquano. »Sie wurde umgebracht. Oder sie hat sich selbst umgebracht.«
    »Wie denn?«, fragte Montalbano.
      »Ganz gewöhnliches Mäusegift. Ich habe mit dem Kollegen gesprochen, bei dem sie hier in Montelusa in Behandlung war. Sie litt unter starken Depressionen, sie hat mehrmals und mit den verschiedensten Methoden versucht, sich das Leben zu nehmen.«
    »Selbstmord wäre demnach die brauchbarste Hypothese?«

      »Das ist nicht gesagt. Dem Anschein nach die brauchbarste, wie Sie das nennen.«

    »Warum dem Anschein nach?«
      »Weil ich festgestellt habe... und ich täusche mich nicht, Montalbano: Man hatte sie mit einer Schnur an den Handgelenken und den Knöcheln gefesselt.« Der Commissario dachte eine Weile nach.

      »Möglicherweise haben Familienangehörige, was weiß ich, ihr Mann oder die Schwester, sie festgebunden, wenn sie sie allein lassen mussten, um zu verhindern, dass sie sich umbrachte oder anderen etwas antat. Eigentlich war die Zwangsjacke früher in den Irrenhäusern doch zu so was da, oder?«

      »Ich weiß nicht, ob man sie zu ihrem Wohl festgebunden hat, das müssen Sie herausfinden. Ich sage Ihnen nur, wie die Dinge liegen.«

      »Gut, Dottore, ich danke Ihnen«, sagte Montalbano und stand auf.

    »Ich bin noch nicht fertig.«
      Montalbano setzte sich wieder. Der Charakter des Gerichtsmediziners passte nicht recht zu dieser Welt; wenn er plötzlich einen Rappel bekam und nicht mehr reden wollte, konnte der Commissario warten, bis irgendwann der schriftliche Bericht fertig war.
    »Etwas überzeugt mich nicht.« Der Commissario sagte kein
    Wort.
      »Wann, sagten Sie, ist sie aus der Wohnung der Schwester verschwunden?«

    »Vor über drei Monaten.«
      »Über eines bin ich mir absolut sicher, Commissario. Sie ist nicht vor drei Monaten gestorben. Der Körper war in einem miserablen Zustand, aber nur weil sich alle möglichen Tiere bedient haben. Merkwürdigerweise ging der Verwesungsprozess sehr langsam vor sich. Aber der Tod liegt nicht drei Monate zurück.«

    »Wann ist sie denn gestorben?«
    »Vor zwei Monaten. Vielleicht etwas weniger.«
      »Und was soll sie in diesem Lebensmonat getan haben? Wo war sie? Es hat sie doch anscheinend niemand gesehen!«
      »Ihr Bier, Commissario«, sagte Dottor Pasquano sehr liebenswürdig.

    »Soll ich dir erzählen, wie die Situation ist?«, fragte Mimi Augello, noch blass von der gerade überstandenen Grippe. »Maria Lojaconos Schwester heißt Concetta. Sie hat einen guten Eindruck auf mich gemacht. Ihr Mann auch, er arbeitet in der Tiefkühlfisch-Branche. Sie haben drei Kinder, das älteste ist sechs. Signora Concetta schließt aus, dass ihre Schwester sich das Gift im Haus besorgt hat, sie hatten nie welches, sie sagt, unternehmungslustig wie ihre Kinder seien, hätten womöglich sie und nicht die Mäuse das Gift gegessen. Das Argument klingt überzeugend. Auf meine konkrete Frage, ob sie Maria manchmal festbinden mussten, haben sie mich entrüstet angeschaut. Ich glaube, das haben sie nie getan. Dann habe ich gefragt, ob Piscopo, ihr Mann, das gewesen sein könnte. Concetta hat diese Möglichkeit ausgeschlossen: Wenn Salvatore das getan hätte, hätte sie es gemerkt, wie jede andere Art von Gewaltanwendung. Manchmal, hat sie mir erklärt, fiel ihre Schwester in einen Zustand völliger Apathie, sie war dann wie eine Stoffpuppe, das hat sie wörtlich gesagt. Dann musste Concetta sie zum Waschen nackt ausziehen. Wenn jemand Maria Lojacono an Händen und Füßen gefesselt hat, dann müssen wir nicht dort forschen. Ach ja, sie hat mich nach einem kleinen Ring gefragt.«
    »Nach was für einem Ring?«

      »Marias Mann hat ihr erzählt, dass man

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