Die Nacht des einsamen Träumers.
ihm zur Identifizierung ein Wolljäckchen und den Ehering gezeigt hat. Stimmt das?«
»Ja, so war es.«
»Hatte sie keine anderen Ringe an?«
»Nein.«
»Signora Concetta hat gesagt, dass Maria am kleinen Finger einen Ring trug, der völlig wertlos war, an dem sie aber sehr hing. Er war das erste Geschenk, das sie als kleines Mädchen bekommen hatte.«
»Er war bestimmt nicht da, Pasquano hätte ihn mir gegeben. Außer er war in der Hosentasche.« Sicherheitshalber rief er den Doktor an. In den Hosentaschen hatten sie nichts gefunden.
Er hatte von Maria Lojaconos Foto Abzüge machen lassen. Er rief Gallo und Galluzzo zu sich: Mit dem Foto in der Hand sollten sie entlang einer Zickzackroute, die sich vom Haus der Schwester der Toten bis zum Bunker am Hundepass erstreckte, fragen, ob jemand sie gesehen hatte oder glaubte, sie gesehen zu haben.
»Das wird mindestens drei, vier Tage dauern«, sagte Montalbano. »Geht die Strecke von Vigàta aus parallel ab, um sicher zu sein, dass ihr kein Haus auslasst.« Sie waren gerade weg, als Catarella mit Leichenbittermiene eintrat.
»Was ist denn mit dir los?«
»Ich hab gerade gehört, was meine Kollegen Gallo und Galluzzo für einen Auftrag gekriegt haben.«
»Passt dir das nicht?«
»Sie können tun und lassen, was Sie wollen, und müssen sich nicht rechtfertigen.«
»Ja und?«
»Ich bitte um Verzeihung, Dottore, aber ich find's ungerecht.«
»Catarè, drück dich bitte klar aus.«
»Ich hab Ihnen das mit der Leiche von dem armen Mädchen erzählt. Deswegen find ich's ungerecht, wenn ich nicht den gleichen Auftrag krieg wie meine Kollegen.«
»Catarè, aber du bist hier unabkömmlich! Wenn du nicht da bist, geht doch das ganze Kommissariat den Bach runter!«
»Dottore, ich weiß, wie wichtig ich hier bin. Ich find's trotzdem ungerecht.«
»Also gut. Da hast du ein Foto. Aber du gehst zum Hundepass und fängst mit deinen Nachforschungen in der Nähe des Bunkers an.«
»Dottore, Ihr seid groß und barmherzig!«
Wie Allah. Aber es war eine raffinierte Rache: Bestimmt fühlte Catarella sich verpflichtet, noch mal die steile Wand hinaufzuklettern.
Gallo und Galluzzo kehrten gegen Abend mit leeren Händen zurück: Niemand von den Leuten, die sie befragt und denen sie das Foto gezeigt hatten, hatte die junge Frau gesehen. Catarella allerdings kam nicht zurück. Es war schon dunkel geworden. Der Commissario wurde allmählich nervös. »Hat er sich vielleicht verirrt?«
Er wollte gerade einen Suchtrupp organisieren, als sich
Catarella endlich telefonisch meldete. »Dottore, sind Sie das ganz...«
»...persönlich, Catarè. Was ist denn los? Ich habe mir schon Sorgen gemacht.«
»Gar nichts ist los, Dottore. Ich wollte Ihnen sagen, dass ich allerspätestens in einer halben Stunde im Kommissariat bin. Ich bin also fast da. Warten Sie auf mich? Ich muss mit Ihnen reden.«
Er tauchte genau eine halbe Stunde später auf, müde und merkwürdig ratlos, so hatte Montalbano ihn noch nie gesehen.
»Ich bin ganz durcheinander, Dottore.«
»Warum denn?«
»Weil ich so Sachen denken muss, Dottore.« Das war es also: Dieses Verstörtsein war das Zeichen dafür, dass sich mutig ein Gedanke in Catarellas Gehirnwüste vorgewagt hatte. »Was denkst du denn, Catarè?«
Catarella beantwortete die Frage seines Chefs nicht direkt. »Also, Dottore, am Hundepass gibt's viele große Häuser und viele kleine Bauernhäuser, und die sind alle so weit auseinander, deswegen komm ich so spät. Ich hab mitgezählt, und da waren's schon vierzehn Häuser, und da hab ich gedacht: Wenn ich schon mal so weit bin! Dann kann ich auch weitermachen!«
»Gut gemacht. Sag mal, wie bist du denn auf den Pass hochgekommen? Bist du die Wand raufgeklettert?«
» Nonsi , Dottore. Ich hab's so gemacht wie Sie letztes Mal.« Schlau war er geworden, der Catarella. »Also, Dottore. Ich hab am fünfzehnten Haus geklopft, das war ganz klein und nicht verputzt. Da waren Schafe, Ziegen, Hühner, ein Hasenstall, ein Schwein...«
»Catarè, lass den Zoo. Erzähl weiter.«
»Jedenfalls hat mir Scillicato echt selber aufgemacht, Dottore!«
»Wirklich?«, fragte der Commissario erstaunt.
»Echt wahr, Dottore!«
»Catarè, ich habe gestaunt, wie du das wolltest, erklärst du mir jetzt, wer zum Teufel Scillicato ist?«
»Ach, hab ich Ihnen das nicht gesagt? Pasquale Scillicato ist der Schäfer, der die Leiche gefunden
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