Die Nacht des einsamen Träumers.
erwischt.« Am osso pizziddro? Im Augenblick war ihm die mundartliche Anatomie nicht gegenwärtig. »Wo ist denn der osso pizziddro?«
»Der osso pizziddro, Dottore, ist genau da, wo der osso pizziddro ist.«
Er hatte es nicht anders verdient. Warum stellte er Catarella auch solche Fragen? »Ist es schlimm?«
»Nonsi, Dottore. Der Dottore Augello hat ihn nach Montelusa ins Krankenhaus bringen lassen.«
»Und woher weißt du das alles?«
»Weil der Signor Briguccio nach der Schießerei hergekommen ist und gestanden hat. Daher wissen wir das.«
Im Kommissariat wartete bereits Vicesindaco Guarnotta, der Zweite Bürgermeister, auf Montalbano. Als er das Zimmer des Commissario betrat, verbeugte er sich in einer Tour wie ein Japaner.
»Als ich von der unseligen Tat unseres Freundes Briguccio erfuhr, empfand ich es als meine unumgängliche Pflicht, meine Aussage zu machen.«
»Wissen Sie denn, was passiert ist?«
»Nein, ich weiß nichts. Nur die Gerüchte, die in der Stadt umgehen.«
»Worüber wollen Sie dann eine Aussage machen?«
»Dass ich mit der Sache absolut nichts zu tun habe.« Da Montalbano ihn fragend ansah, fühlte Guarnotta sich zu einer Erklärung verpflichtet:
»Sie, Commissario, waren bei dem unerfreulichen Zwischenfall im Rathaus zugegen, der gänzlich unserem Freund Briguccio zuzuschreiben ist. Ich möchte nicht, dass Sie den unbedachten Unterstellungen unseres Freundes Briguccio, der sich eindeutig in einem Zustand starker Anspannung befindet, Glauben schenken.« Montalbano blickte ihn an und sagte nichts. »Das nennt man Mordversuch. Oder?«, fragte Guarnotta sanft.
Er wollte ihm so richtig eins auswischen, unserem Freund Briguccio.
»Danke, ich nehme Ihre Aussage zur Kenntnis«, sagte Montalbano. Doch fügte er in einem Anfall von Boshaftigkeit hinzu:
»Sie sprechen selbstverständlich in Ihrem Namen.«
»Ich verstehe nicht«, sagte Guarnotta und war auf der Hut.
»Das ist ganz einfach: Da sich die Anschuldigungen von Signor Briguccio vor allem gegen den Bürgermeister richteten, möchte ich wissen, ob Sie auch in seinem Namen sprechen.«
Guarnotta zögerte kaum merklich. Wo er schon mal dabei war, konnte er auch gleich Freund Bürgermeister schädigen.
»Commissario, ich kann nur für mich sprechen. Wer kennt schon ganz und gar den Menschen, der einem am liebsten ist? Die menschliche Seele ist unergründlich.« Er stand auf, machte zwei oder drei Verbeugungen hintereinander und wollte schon gehen, als Montalbano ihn zurückhielt.
»Entschuldigen Sie, Signor Guarnotta, wissen Sie, wo Manifò verletzt wurde?«
»Am Knöchel.«
Der Commissario grinste breit, was Guarnotta verwirrte. Aber er grinste nicht wegen der Verletzung, er freute sich, weil er endlich wusste, dass der osso pizziddro der Fußknöchel war.
»Mimi, was sagst du zu dem Schwank, der um ein Haar als
Tragödie geendet hätte?«
»Was soll ich da sagen, Salvo? Ich habe zwei Hypothesen, vielleicht dieselben wie du. Die erste ist, dass ein Trottel aus Rache an Eleonora diese Plakate druckt und klebt, ohne zu wissen, dass die Sache schlimme Folgen haben kann. Die zweite ist, dass es sich um eine geplante Aktion handelt, um Briguccios Nerven blank zu legen.«
»Mimi, welche Macht hat Briguccio in der Stadt?«
»Na ja, Macht hat er. Er widersetzt sich aus Prinzip sämtlichen Initiativen des Bürgermeisters. Und bringt immer eine gewisse Anhängerschaft zusammen. Verstehst du, was ich meine?«
»Ich verstehe genau, was du meinst: Bürgermeister und Co. müssen bei allem und jedem mit Briguccio verhandeln. Und was hast du über Signora Eleonora zu berichten?«
»Inwiefern?«
»Bezüglich deiner Hypothese, der ersten. Der verlassene Liebhaber. Mit wem hatte es Signora Eleonora denn in letzter Zeit?«
»Warum nennst du sie ›Signora‹?«
»Ist sie denn keine?!«
»Salvo, du sagst ›Signora‹ in so einem Ton... Als würdest du ›Hure‹ sagen.«
»Das würde ich mir nie erlauben! Also: Wie läuft es mit Eleonoras Liebschaften?«
»Ich bin über die jüngsten Entwicklungen nicht informiert. Aber einer Sache bin ich mir sicher, dafür lege ich meine Hand ins Feuer: Briguccio hat auf die falsche Person geschossen.«
Montalbano, der bis dahin gefrotzelt hatte, wurde plötzlich hellhörig.
»Erklär mir das genauer.«
»Ich kenne Carlo Manifò gut. Er ist verheiratet, kinderlos. Und er ist in seine Frau
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