Die Nacht des Satyrs
theatralisch. »Na schön. Ich breche gleich morgen früh nach Paris auf. Dann versäume ich wohl das Weinlesefest.«
Raine zog eine Braue hoch. »Was mindestens ein Dutzend Herzen brechen dürfte, keine Frage.«
»Du schmeichelst mir«, entgegnete Lyon grinsend.
Er ergriff Jordans Hände, um sie auf die Wange zu küssen. »Willkommen in der Familie! Ich freue mich schon darauf, unsere Bekanntschaft zu vertiefen, sobald ich aus Paris zurück bin.«
Die Brüder standen nun alle auf und hatten es anscheinend eilig, sich von ihr zu verabschieden, also wünschte sie ihnen eine gute Nacht. Gewiss würden sie sich im Salon über alle möglichen Eigenheiten des Weinbaus unterhalten, während sie allein in ihr Bett steigen durfte.
In ihrem Zimmer las sie einige Zeit und lauschte derweil, ob sie Raine kommen hörte. Als sie draußen ein Geräusch vernahm, eilte sie ans Fenster. Unter den Bäumen unten sah sie zweibeinige Schatten, die sich bewegten. Aber einen Moment später war alles still, und Jordan sagte sich, dass sie sich alles wohl nur eingebildet hatte.
Bis tief in die Nacht wartete sie auf Raine, dann schlich sie sich nach unten und lauschte an der Tür des Salons, in dem die drei zuletzt gesessen hatten. Kein Laut drang heraus, also öffnete sie die Tür einen Spalt. Der Salon war leer. Einzig drei Weinkelche bewiesen, dass die Brüder bis vor kurzem hier gewesen waren.
Im Haus war alles dunkel und still, denn Raine hatte ihr erzählt, dass die Bediensteten abends grundsätzlich frei bekamen, um zu sich nach Hause zu gehen. Nur wenige Nachtdiener, wie er sie nannte, blieben. Falls sie etwas brauchte, sollte sie nach ihnen läuten.
Wieder oben, ging sie zu seinem Schlafzimmer, das ebenfalls leer war. Kurz entschlossen legte sie sich in sein Bett und wartete dort auf ihn. Schließlich fiel sie in einen unruhigen Schlaf.
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17
W ährend Jordan vergebens wartete, schlichen sich die Herren des Satyr-Lands aus dem Castello. Auf dem Pfad in den Wald hielten sie sich im dunklen Schatten unter den Bäumen, genau wie sie es zu jedem Vollmond taten, seit sie erwachsen waren. Der Pfad brachte sie zu einem geweihten Versammlungsort im Herzen des alten Familienweinguts, wo ein großer Kreis von Statuen sie erwartete.
Die eindruckvollste von allen, Bacchus, herrschte über der diesigen Klamm, auf ewig in Stein gefangen. Obwohl er hier eine andere Pose einnahm, wies er dieselben lüsternen Merkmale auf wie sein Abbild in Raines Innenhof. Ein Traubenkranz krönte die wilden Locken auf seinem Haupt. In einer ausgestreckten Hand hielt er einen verzierten Weinkelch, als wollte er auf das Ritual trinken, das die drei Brüder gleich vollziehen würden. Es war derselbe Ritus, den ihre Vorfahren über Jahrhunderte unter dem Schleier des Mondlichts befolgten.
Feierlich tranken die Herren ein Elixier, das sie aus einer antiken Amphore, verborgen in den Altären der Klamm, in Kelche schenkten. Dann entledigten sie sich ihrer menschlichen Kleider. Die herbstliche Nachtkälte empfanden sie überhaupt nicht, denn auf ihren Beinen bildete sich ein dichter Pelz, und ihre Schäfte verlängerten sich und schwollen an, bis sie weit größer waren als gewöhnlich.
Plötzlich kam der Vollmond hinter den Wolken hervor und betrachtete sie mit seinem strahlenden unbewegten Auge. Mit dem Licht überkamen die Brüder Krämpfe, dass ihre Bäuche in Wellen zuckten. In lustvoller Angst gebeugt, zogen sie Grimassen, so dass ihre Züge wilder wurden, als die letzte physische Wandlung des Rufs eintrat.
Am Ende richteten sich alle drei gleichzeitig wieder auf. Sie hatten eine abnorme Gestalt angenommen, halb Mensch, halb Tier, und waren durch die letzte Verwandlung der Mondnacht mit einem neuen, sehnig-knochigen Schaft versehen – einem zweiten Glied, das aus ihren Unterleiben wuchs.
Raine wandte den Blick von seinen beiden Schwänzen ab, die hoch und hart aus seinem Körper aufragten. Der zweite war beinahe so groß wie die gewaltige Rute, die gleich darunter aus seinem Schamhaar entsprang. Sein zweiter Phallus dehnte sich und verlangte zuckend nach einer Frau.
Die Brüder achteten stets darauf, dass niemand sie so zu Gesicht bekam oder mit ansah, was sie heute Nacht hier taten. Die Macht ihrer vereinten Willenskraft verhinderte, dass Neugierige diesen geheimsten Ort auf ihrem Anwesen jemals entdeckten.
Auf ihr stummes Kommando hin regte sich schimmernder Dunst in der Luft zwischen ihnen. Schillernde Formen traten aus ihm heraus, die zu
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