Die Nacht des Satyrs
an.«
Raine schnippte mit den Fingern, wie Italiener es taten, um etwas von sich zu weisen. »Eine großzügige Spende dürfte genügen, um mögliche Bedenken zu vertreiben. Das tut sie stets. Also, werdet Ihr das Aufgebot bestellen, oder soll ich mir einen anderen Kirchenmann suchen?«
»Na schön«, gab der Bischof verkniffen nach. »Ihr könnt Eure Verlobte zu mir bringen, damit ich mit ihr spreche. Leider habe ich in nächster Zeit viele anderweitige Verpflichtungen. Wie wäre es nächsten Monat?«
»Ihr sprecht überhaupt nicht mit ihr«, erwiderte Raine. »Ich wünsche nicht, dass sie von dem Aufgebot erfährt – noch nicht.«
»Aber das ist höchst unüblich!«, protestierte der Bischof.
Raine sah ihn streng an. »Wenn es Euch nicht behagt, sehe ich mich nach jemand anderem um.«
»Nein! Nein! Natürlich mache ich, was Ihr wünscht. Eure Bitte traf mich nur etwas unerwartet.«
Ein anderer Winzer kam und sprach Raine an. »Haltet mich auf dem Laufenden!« Mit diesen Worten verließ er den Stand.
Der Bischof blickte wütend zu der Frau auf dem Hügel. Sein Herz war von Eifersucht zerfressen wie sein Schwanz von der Syphilis. Er musste sie genauer sehen. Jetzt. Sofort.
Mit der Flasche in der Hand, aus welcher der Begehrte eben getrunken hatte, entfernte er sich von seinem Stand. Keuchend und schnaufend eilte er den Weg hinauf, Raines Schwägerin und der anderen nach.
Ein gutes Stück hinter ihnen bog er in den Wald ab, um sie unbemerkt zu überholen. Die Frauen hatten es nicht eilig, so dass er ihnen schnell voraus war. Dann versteckte er sich hinter ein paar Felsen und wartete.
Als sie an der Biegung vor ihm auftauchten, hätte er beinahe aufgeschrien. Der Begehrte hatte sich eine Frau erwählt, die so heruntergekommen war wie eine Hafendirne! Ihre Züge waren hinreichend angenehm; ihre Kleidung und ihre Haltung hingegen waren abstoßend! Was in Gottes Namen zog ihn zu solch einer Frau? Was war so Besonderes an ihr?
Und wieso kam sie ihm so
bekannt
vor?
Nachdenklich kaute er auf den Innenseiten seiner Wangen und versuchte, sich zu erinnern, wo er sie schon einmal gesehen hatte. Unterdessen schritten beide Frauen durch das Tor, so dass er sie nicht mehr sehen konnte. Aber er blieb hinter den Felsen hocken und überlegte. Die Sonne sank tiefer und tauchte die Landschaft in rosa Licht. Unten am Hügel gingen die Feierlichkeiten weiter und wurden ausgelassener, je mehr Leute kamen und je üppiger der Wein floss.
Der Bischof glitt mit seiner Zunge über die Flaschenöffnung, an der vor kurzem noch
seine
Lippen gewesen waren. Hatte er den Wein genossen? Kein Wort hatte er darüber verloren. Das Winzertalent des Bischofs war allgemein anerkannt, auch wenn manche Leute behaupteten, er würde andere Winzer kopieren. Nun gut, zwar stimmte es, dass er keine eigenen Ideen hatte, doch er war ein brillanter Nachahmer. Jede seiner Kreationen entstand in der Absicht, die Satyr-Weine des Vorjahres zu imitieren. Und dennoch fehlte stets etwas, eine undefinierbare Zutat.
Er vermutete, dass die Satyrn eine Art Magie auf ihrem Land praktizierten. Sie waren so geheimnisumwittert. So gutaussehend. Die Lippen des Begehrten waren sinnlich und wohlgeformt wie die einer Frau, sein Schwanz jedoch … oh … der hatte nichts Weibisches an sich. Als der Bischof ihn vorhin ertastete …
Und dann, wie ein Blitz, fiel es ihm ein: Diese Person bei Jane Satyr war La Maschera – die Kreatur, die sowohl Frau als auch Mann war! Dieselbe, die Signor Salerno an jenem Abend aus dem Theater entwischt war. Diese Abscheulichkeit, der ein Schwanz über den Schamlippen baumelte! Raine musste sie irgendwo aufgelesen und den weiten Weg von Venedig hergebracht haben.
Hmm.
Er steckte seine Zunge tief in den Flaschenhals und sog sie mit einem leisen
Plopp
wieder heraus.
Salerno vermisste seine Kreatur sicher schon. Wusste er, wohin sie geflohen war, als sie an jenem regnerischen Abend aus dem Theater rannte? Ach, welch köstliche Neuigkeiten!
Der Bischof sprang auf, rannte aus dem Wald und fort von den Feierlichkeiten, wo er die Flaschen und Dekorationen seines Stands jedem überließ, der sie stehlen wollte.
Als er zu Hause ankam, befahl er, dass man für ihn packte und ihm die Kutsche bereitmachte. Er würde nach Venedig reisen.
Immer noch die Flasche in der Hand haltend, welche die Lippen des Begehrten berührt hatten, zog er los, jemanden zu suchen, der gewillt war, ihn damit zu rammeln.
[home]
22
J ordan und ihre Zofe
Weitere Kostenlose Bücher