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Die Nacht des Satyrs

Die Nacht des Satyrs

Titel: Die Nacht des Satyrs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Amber
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Mann sich trauen würde, Raine auf die merkwürdige Färbung seiner Hände anzusprechen. Dank ihrer Zeit in dem Maischbecken waren sie bläulich verfärbt, was durch die weißen Manschetten besonders auffiel.
    Seine Füße hatten denselben Farbton. Jordan hätte beinahe gekichert, als er aus dem Becken stieg und sie es sah. Doch er wies sie darauf hin, dass ihre eigenen Füße nicht minder verfärbt waren – was zutraf. So sahen sie beide aus, als trügen sie Strümpfe.
Blaue Strümpfe.
Genau wie es der zweite Teil des Traumes vorausgesagt hatte. Ein kalter Schauer jagte ihr über den Rücken, als ihr die Bedeutung dessen aufging, und rasch hatte sie ihre genauso getönten Hände unter ihrem Schal verborgen.
    Nachdem die zweite Phase ihres Traumes wahr geworden war, käme die dritte. Die Schlange. Wenn Raine von ihren merkwürdigen Vorahnungen wüsste, würde er sich davor fürchten? Wie närrisch von ihm, zu behaupten, er wollte sie zur Frau, ungeachtet ihrer Warnungen, dass er ihr wahres Ich nicht kennen würde!
    Sie wollte ihn nicht heiraten, aber sie wollte auch behalten, was sie hier mit ihm hatte, solange sie konnte. Um das zu tun, musste sie ihre Vergangenheit tief genug vergraben, so dass sie nie wieder ans Licht käme. Raine glaubte, er wäre der einzige Mann, der jemals entdeckt hatte, was sich unter ihren Röcken verbarg. Er nahm an, dass sie in solchen Kleidern aufgewachsen und ihr Leben erst als Mädchen, dann als Frau geführt hatte.
    Was würde er denken, sollte ihm zu Ohren kommen, dass sie einst durch die Straßen von Venedig gezogen war und das österreichische Karnevalsverbot missachtet hatte? Wie würde er es aufnehmen, sollte er erfahren, dass sie früher stets im Herrensattel geritten war, eine andere Frau geküsst und ihre Nächte ausgelassen trinkend und spielend mit ihren Kumpanen verbracht hatte? Wie sollte er sich mit der Tatsache arrangieren, dass seine neueste Geliebte einmal ein Mann gewesen war?
    Vorsichtig lugte sie aus dem Pressraum erst in die eine, dann in die andere Richtung, in der Hoffnung, sich unbemerkt hinaus und zurück den Hügel hinauf auf das Anwesen schleichen zu können.
    Als niemand zu sehen war, eilte sie hinaus. Aber leider währte ihr Glück nicht lange. Eine Frau stand auf dem Weg, ein Stück weiter vorn. Eine Fremde. Sie war wunderschön und trug ein Kleid aus hellvioletter Seide, die perfekt zu den Federn an ihrem Hut passte. Jordan überlegte, vorzugeben, sie nicht zu sehen, und wortlos an ihr vorbeizuhuschen. Gesenkten Hauptes eilte sie weiter.
    »Signorina Alessandro?«, fragte die Frau unsicher. Offenbar glaubte sie nicht, dass Jordan diejenige war, nach der sie suchte.
    Inzwischen hatte Jordan sich an ihren falschen Nachnamen gewöhnt, den sie Raine in Venedig nannte, also blieb sie sofort stehen. »Ja?«
    Aus der Nähe war die Frau sogar noch schöner, als sie zunächst schien. Ihre Haut war rein und cremeweiß, ihr dunkelrotes Haar kunstvoll aufgesteckt, ihr Kleid makellos glatt und frisch. Neben ihr kam Jordan sich entsetzlich ungepflegt vor. Unwillkürlich befingerte sie ihr Haar, das sie sich gezwungenermaßen ohne einen Spiegel unter den Hut gezurrt hatte. Wie furchtbar mochte sie wohl aussehen?
    Die Frau kam näher. »Seid Ihr Raines Verlobte?«, erkundigte sie sich. Ihre Stimme klang sehr melodisch.
    »Wie bitte? Nein! Wir sind lediglich befreundet. Bekannte, wenn man so sagen will.«
    »Bekannte«, wiederholte die Frau und sah Jordan verwirrt an. »Aber Ihr wohnt in seinem Haus, nicht wahr?«
    »Ich weiß nicht recht, inwiefern das für Euch von Belang sein sollte«, entgegnete Jordan steif. »Wenn Ihr mich jetzt entschuldigen wollt.« Sie raffte ihre fleckigen Röcke und wollte möglichst hochnäsig an der anderen vorbeischreiten.
    Nur stellte diese sich ihr in den Weg und ergriff sogar Jordans Unterarm. Gleichzeitig beugte sie sich dicht zu Jordan. »Er ist ein gutaussehender Mann. Vermögend. Maskulin. Auch ich fiel einmal darauf herein.«
    Aus nächster Nähe bemerkte Jordan eine ziemlich verstörende Unruhe im Blick der anderen. »Was meint Ihr?«
    Ihre manikürten Fingernägel bohrten sich in Jordans Haut. »Ich heiratete ihn«, zischte die Frau, »aber ich habe es bitterlichst bereut. Begeht nicht denselben Fehler!«
    Dieses wunderschöne Wesen war Raines Gemahlin gewesen? Jordan fühlte sich schäbiger denn je.
    »Ah! Wie ich sehe, habt Ihr beide Euch bekanntgemacht«, ertönte eine schneidende Stimme. Aus dem Nichts kam Jane auf sie zu,

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