Die Nacht des Satyrs
mich vor etwas gerettet, das wahrscheinlich furchtbar gewesen wäre, und dafür bin ich dir dankbar. Aber ich würde meinen, dass ich jede Schuld dir gegenüber bereits im Bett beglichen habe.«
Raine biss die Zähne zusammen. »Falls du weiterhin mein Bett zu wärmen wünschst, müssen wir heiraten. Andernfalls bist du in Gefahr. Die Anderwelt ist in Aufruhr, chaotisch und von Kriegen geschüttelt. Jene Pforte, von der du geträumt hast, ist real. Viele in der anderen Welt würden dich gern hindurchziehen. Eine Trophäe wie du würde einem der Gegner erheblichen Vorteil bringen.«
»Ist es dort denn so übel, in dieser Anderwelt?«
»Einst war sie ein Paradies«, erzählte er, »doch ich war seit Jahren nicht mehr da. Nur Nick war in jüngster Zeit als unser Gesandter dort. Wie er berichtete, sind manche Bereiche inzwischen sehr gefährlich und machen ein zivilisiertes Leben unmöglich.«
»Du hast gesagt, dass es an jenem Ort andere wie mich gibt, die sowohl männliche als auch weibliche Merkmale besitzen. Vielleicht gehörte ich in die andere Welt.«
Raine schüttelte den Kopf. »Würdest du hingehen, wäre die Erdenwelt bedroht. Es gibt Wesen in der Anderwelt, die nach deinem menschlichen Blut gieren. Der winzigste Tropfen reicht, damit Hunderte von ihnen durch die Tore in diese Welt gelangen. Und mit ihnen kämen ihre Schlachten hierher. Sind sie erst auf unserem Grund, werden sie alle unterwerfen wollen, die nicht wie sie sind.«
»Warum haben sie nicht Jane für ihre Zwecke genommen?«
»Sie ist verheiratet, Teil eines Paars mit Nachkommen. Das verleiht ihr Schutz gegen sie.« Er steckte seine Hände in die Taschen und schaute sich um. »Anderweltwesen beobachten uns. Nick und ich haben es gefühlt. Sie werden dich nicht in Ruhe lassen, ehe du nicht mit mir gepaart und verbunden bist.«
»Wie viel gründlicher könnten wir uns noch paaren als letzte Nacht?«, fragte sie ungläubig.
Er kam zu ihr. »Ich meinte eine dauerhafte, regelmäßige Vereinigung, über längere Zeit. Über mehrere Monate, mindestens sechs – was in dieser Welt selbstverständlich nach einer Heirat verlangt.«
Sie gab einen verächtlichen Laut von sich und stieß mit dem Fuß gegen den Altar. »Na schön, ich will ehrlich zu dir sein. Du wünschst dir zweifellos eine Gemahlin, die dir Kinder schenkt. Bei mir ist höchst fraglich, ob ich sie dir oder irgendeinem Mann gebären kann. Ich bin unfruchtbar.«
Unfruchtbar. Das Wort hallte wie Donnerschall durch seinen Kopf. Keine Frau war für einen Mann von Satyr-Blut unfruchtbar. Würde er während des Rufes beschließen, fruchtbaren Samen zu geben, schlüge er in jeder Frau zwischen 15 und 115 Jahren Wurzeln.
Dass sie sich selbst für empfängnisunfähig hielt, mochte ihr entsetzlich vorkommen; Raine hingegen konnte nicht umhin, es für recht günstig zu halten.
»Hast du gehört, was ich sagte? Du weißt doch, was unter meinen Unterröcken ist.« Sie legte eine Hand auf ihren Rock, wo er ihre Genitalien bedeckte. »Deswegen bin ich wahrscheinlich ungeeignet, ein Kind auszutragen. Ich kann dir keine Erben schenken.«
»Das ist nicht wichtig.«
»Jeder Mann will Kinder.« Das hatte sie von ihrer Mutter oft genug zu hören bekommen.
»Ich nicht.«
Sie sah ihn skeptisch an.
Seltsamerweise fühlte er sich gefordert, mehr zu sagen, was äußerst ungewöhnlich war. Immerhin war er bekannt für seine Art, im Angesicht strenger wie verlockender Blicke in tiefes Schweigen zu verfallen.
»Ich bin nicht zum Vater gemacht«, gestand er.
Sie winkte seine Worte wie lästige Insekten fort. »Unsinn! Du bist der geborene Vater.«
Erstaunt sah er sie an. »Und du bist nach solch kurzer Bekanntschaft eine Expertin, was meine Stärken und Schwächen betrifft?«
»Das bin ich.« Sie zählte seine Vorzüge an ihren Fingern ab. »Du bist fleißig, deiner Familie treu, ein geduldiger Lehrer, wohlhabend, intelligent, gutaussehend, amüsant – bisweilen. Im Moment bist du allerdings nichts von alledem.«
Er schüttelte verblüfft den Kopf. »Belassen wir es dabei, dass ich keine Kinder will. Ich bin vollends zufrieden mit einer Gefährtin, sofern du mein Angebot annimmst.«
»Eine Bettgefährtin?«
Er verdrehte die Augen. »Ja, bei den Göttern! Hast du etwas dagegen?«
Sie klimperte mit den Wimpern, wie sie es bei den Opernschauspielerinnen an der Piazza San Marco gesehen hatte. »Nicht im Geringsten«, antwortete sie, legte eine Hand in seinen Nacken und küsste ihn. »Ich teile das
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