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Die Nacht des Schierlings

Die Nacht des Schierlings

Titel: Die Nacht des Schierlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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besonders früh aufgestanden und hat sich auf den weiten Weg gemacht. Wenn die Tore geöffnet werden, wartet doch immer eine ganze Reihe von Wagen, da findet man oft eine Gelegenheit mitzufahren.»
    «Das kann aber nicht sein», mischte sich Elwa wieder ein, deutlich Ungeduld in der Stimme. «Ich war wie jeden Morgen die Erste in der Küche, bis Ludwig und der Junge runterkamen, war hier sonst keiner. Und beide Türen waren noch verriegelt, die vordere und die hintere. Ich glaub nicht, dass er durchs Fenster raus ist.»
    Magda Hofmann nickte kaum merklich. «Ich weiß, Elwa.» Plötzlich stand sie auf, strich ihre Röcke glatt und steckte das den Kämmen entkommene Haar zurück an seinen Platz. Ihr Gesicht, gerade noch schlaff und gramvoll, straffte sich, die Augen wurden dunkel und klar, der Mund fest. Hätte Molly diese verblüffende Verwandlung nicht schon früher erlebt, hätte sie Zauberei befürchtet. Nun war sie nur erleichtert.
    «Wir haben genug herumgesessen», erklärte Magda, in ihrer Stimme vibrierte noch ein sehr kleiner Rest von Schwäche. «Er wird schon wieder auftauchen. Die Straßen und Gassen sind furchtbar schlecht, kann gut sein, dass er sich den Knöchel vertreten und für die Nacht an der nächsten Tür geklopft hat. Ja, das kann gut sein.» Ihre Miene war nun fast heiter, ihre Wangen hatten sich wieder gerötet. «Er kennt schon so viele Menschen in der Stadt und ist überall willkommen. Das ist er wirklich, auch wenn manche anderes behaupten. Wir gehen jetzt an die Arbeit, man darf keine Zeit mit unnützen Sorgen vertun. Was soll der Meister von uns denken, wenn er zur Tür hereinkommt und wir sitzen faul herum. Beeil dich mit dem Frühstück, Kind, es ist, wie du gesagt hast: Wir dürfen den Kaiserwirt nicht verärgern, er braucht das Konfekt.» Sie nahm die von Elwa bereitgelegte reine Schürze von der Deckelkiste unter dem Fenster und band sie sich sorgfältig um, als komme es auf jeden Zoll, auf jedes Fältchen an. «Bis Ludwig und der Junge zurück sind, fangen wir in der Backstube mit den Vorbereitungen an, Molly. Möchtest du das Buchweizenschrot abwiegen? Aber schau zuerst, ob es fein genug ist. Elwa, du treibst Marius und Gerdi auf. Wir brauchen heute beide. Unbedingt. Wenn sie gerade anderswo aushelfen, biete ihnen einen Aufschlag auf den sonst üblichen Lohn. Los, los, spute dich, anstatt mich anzustarren, als wäre ich nicht ganz richtig im Kopf.»
    Schon klapperten ihre Pantinen über die Fliesen der Diele, gleich darauf auf den Holzbohlen der Backstube, die Ofentür quietschte, als sie Holz nachlegte, und Molly lachte auf, laut und erleichtert.
    «Lauf los, Elwa», sagte sie heiter, «egal, welche Nachricht Ludwig bringt oder welche Erklärungen der feine Monsieur Hofmann persönlich parat hat, Mutter wird es verkraften. Zum ersten Mal», ihre nun gesenkte Stimme klang triumphierend, «zum ersten Mal seit Vaters Tod ist sie wieder wie früher. Wieder sie selbst. Wenn wir Glück haben, lässt sie ihn nun auch nicht mehr regieren wie einen König. Wenn du Ludwig unterwegs triffst, schick ihn her. Hier wird er jetzt dringender gebraucht.»
    Elwa musste nicht mehr nach Ludwig Ausschau halten. Der Geselle stand schon vor der Tür. Wer ihn hatte die Straße herunterkommen sehen, mochte sich gewundert haben. Ludwig war kein Trödler, am wenigsten vormittags, wenn es in der Backstube besonders emsig zuging. Aber heute hatte er getrödelt. Wie sonst sollte man es nennen, wenn einer zwar eilig den Burstah herunterkam, aber kaum dass er in den Rödingsmarkt einbog und sich damit seinem Ziel näherte, plötzlich mal die Ware der Straßenhändler begutachtete, mal nach den Wolken sah, mindestens dreimal ans Fleet trat und aufs Wasser hinunterstarrte, sich sogar die Zeit nahm, bei einer der Winden einem Jungen beim Hochhieven eines besonders störrischen Ballens aus einer Schute half.
    Der Lederwarenhändler stand in der Tür seines Ladens, lächelte verbindlich und rieb die Hände. Die Meisterin Hofmann sei wirklich arm dran, ließ er seine hinter ihm geschäftig neue Ware einräumende Frau wissen, ein zu junger Ehemann, der dem Trunk und nächtlicher Schwärmerei zugeneigt war, und nun entdeckte auch der bisher so zuverlässige Geselle die Lust am Schlendrian. Fehlte nur noch, dass er sich zu den rotnasigen Tagedieben, die neuerdings ständig hier herumlungerten, ans Fleet setzte und die Beine baumeln ließ.
    Tatsächlich hätte Ludwig nichts lieber getan. Er musste eine Botschaft

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