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Die Nacht des Schierlings

Die Nacht des Schierlings

Titel: Die Nacht des Schierlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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sich unauffällig zu verabschieden. Die Debatte verlief umso ausführlicher und deutlicher, als keine Damen zugegen waren. Inzwischen besuchten zwar einige besonders mutige wie auch Madam Herrmanns oder Madam Matthew hin und wieder das Kaffeehaus, aber nie in den ersten beiden Stunden direkt nach Börsenschluss, wenn die Männer ernsthafte Gespräche zu führen hatten und für höfliche Rücksicht auf womöglich anwesende Damen keine Zeit war.
    «Erstaunlich.» Claes Herrmanns sah sich verblüfft um. «Der Tote war nur Konditor, zudem erst wenige Jahre in der Stadt, und doch bekannt wie ein bunter Hund.»
    «Kann gut sein», Bocholt nickt bedächtig, «und nicht nur für das Konfekt aus seiner Backstube und Confiserie. Er soll ja tatsächlich – ich will mal sagen: ziemlich munter gewesen sein.»
    «Nett ausgedrückt, alter Freund», amüsierte sich Senator van Witten, lehnte sich zurück, dass das Sesselchen unter seinem mächtigen, wieder ganz in schwere, sandfarbene Seide gewandeten Körper ächzte und faltete die Hände vor dem Bauch, «wirklich nett. Der Hofmann war ein Filou, das weiß jeder, der hat seiner Madam nicht nur Freude gemacht. Es wäre wohl kein Zufall, wenn einer bei seiner Reise ins Jenseits nachgeholfen hat. Wenn es da auch nur ein Gerücht gibt, und so hört es sich ja an, wird unser emsiger Weddemeister schon gründlich herumschnüffeln, bis er die richtige Spur findet. Ich kannte den Hofmann nicht, du auch nicht, Bocholt, was? Und Ihr, Mr.   Matthew? Wir alle nicht. Aber du, Claes, du hast ihn sicher gekannt. Seine Tochter hat doch einige Monate in deinem Haus gelebt.»
    «Sie ist seine Stieftochter, das einzige Kind seiner Frau vom alten Runge, der vor ein paar Jahren gestorben ist. Als Anne auf Jersey war und unsere Köchin mitgenommen hat, hat sie bei uns gearbeitet, ja. Zu meinem Bedauern!, es geht nun mal nichts über Elsbeths Küchenkunst. Jungfer Runge hat sich alle Mühe gegeben, sie zu vertreten. Ein nettes Mädchen, auch ansehnlich, keine Frage, und ihr Konfekt, die Puddings, Cremes und Torten – unglaublich. Leider hat sie keine Ahnung vom großen Rest der Küchenfinessen. Ihr Ochsenbraten war für meine Zunge ebenso ein Desaster wie der Rotweinschinken. Nur mal als Beispiel. Und die Austern – egal. Sie ist fleißig und reinlich, auch charmant, und hat getan, was sie konnte. Ein Gewinn für jedes Haus. Ich kann sie nur empfehlen.»
    Van Witten und Bocholt lachten, der eine breit, der andere schmal, wie es jeweils ihre Art war, und Thomas Matthew, ein seit etlichen Jahren in Hamburg ansässiger englischer Kaufmann, entfernt mit Anne Herrmanns verwandt und mit einer exzentrischen Freundin der Herrmanns verheiratet, zog amüsiert eine Braue hoch.
    «Was für eine Eloge auf eine Ersatzköchin, lieber Freund. Natürlich hast du recht, wir alle haben sie in deinem Haus gesehen, ein niedliches Geschöpf. Und ihr Konfekt – jeder, der es bei euch serviert bekam oder am Rödingsmarkt gekauft hat, weiß, wer das beste Konfekt macht. Ihre Talente für die Confiserie sind wirklich großartig. Einen Trost hat die Witwe: Wenn ihre Tochter die eigentliche Meisterin der Köstlichkeiten ist, muss sie nach Hofmanns Tod nicht zudem noch den Ruin fürchten.»
    «Leicht gesagt, Thomas. Hier ist nicht London, wo jeder macht, was er will. Nach unseren Zunftregeln und Usancen wird sie irgendwann wieder einen Meister in ihrer Backstube brauchen.»
    «Tja», Bocholt erhob sich und klopfte auf den Tisch, «ich muss wieder ins Kontor. Und wegen der Witwe – die muss ja nicht mehr selbst ins Geschirr, soll sie diesmal doch ihre Tochter mit einem tüchtigen Gesellen verheiraten und den zum Meister machen. Sind sicher genug da, die nur drauf warten. Dann hat sie ihre Ruhe, das ist angenehmer für eine alte Frau.»
    Er nickte in die Runde und schob sich energisch durch die zwischen den Tischen stehenden Männer zur Tür.
    «Alte Frau?», fragte der Senator und erhob sich ebenfalls. «Ist sie schon so alt? Der Hofmann war doch noch ein halbwegs junger Mann, oder habe ich da Falsches gehört?»
    «Mir scheint, Bocholt misst mit zweierlei Maß», erklärte Claes Herrmanns schmunzelnd. «Madam Hofmann ist um einiges älter, als ihr zweiter Ehemann es war, aber wohl ein Jahrzehnt jünger als unser guter Bocholt und wir, van Witten. Kaum älter als du, Thomas.»
    Er fühlte sich plötzlich unbehaglich. Auch Thomas’ Frau Agnes war ein paar Jahre älter als ihr Ehemann. Entgegen allen Erwartungen von nahen

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