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Die Nacht des Schierlings

Die Nacht des Schierlings

Titel: Die Nacht des Schierlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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Inseln und dem südwestenglischen Bristol von den amerikanischen Kolonien gekommene Bark angelegt hatte. Ein schönes Schiff, da war man sich einig gewesen.
    Mit solchen Ereignissen konnte der unspektakuläre Tod eines gewöhnlichen, nicht mal hier gebürtigen Konditors schwerlich konkurrieren; hätte es sich nicht um einen Meister gehandelt, wäre er kaum erwähnenswert gewesen.
    Der Teekrämer Henrich stand im hinteren Raum des Kaffeehauses am Billardtisch und lachte auf diese satte Art, wie einer eben lacht, wenn er klebrige Gedanken hat. Henrich war bekannt für seine guten Ohren, wenn es um Klatsch und Kontorgeheimnisse ging, und hatte auch diese Neuigkeit durch das auf und ab brandende Konzert der Männerstimmen genau gehört. Das Portweinglas in der Hand, drängte er sich durch die Menge nach vorne, wo die Neuigkeit verkündet worden war. Leider beachtete ihn niemand, aber seinem raschen Blick entging nicht, wie Claes Herrmanns mit einem spitzengesäumten, nun nicht mehr blütenweißen Taschentuch versuchte, den verschütteten Kaffee vom Rock zu reiben. Der Krämer kannte sich aus – aus so feinem blassgrauem Tuch würden die Flecken nicht herausgehen.
    «Ihr habt Euch erschreckt, was? Ihr seid doch mit seiner hübschen Stieftochter bekannt», stellte er mit aufdringlich lauter Stimme fest. «Oder hat Euch nur jemand geschubst?»
    Herrmanns beachtete ihn nicht. Werner Bocholt hingegen, sein alter Freund seit Lateinschulzeiten, der auf dem Stuhl neben ihm saß, warf dem Krämer einen flüchtigen Blick zu. «Warum erschreckt?», fragte er, den Blick wieder auf die den Fleck verreibende Hand seines Freundes gerichtet. «Menschen sterben eben, und wir waren mit dem Toten nicht verwandt.»
    «Trotzdem», mischte sich ein hagerer Mann im eleganten, leuchtend fliederfarbenen Seidenrock über reichbestickter Weste ein, sein Akzent verriet seine holländische Herkunft, «ich habe auch gerade davon gehört. Meine Frau hat hin und wieder bei Hofmann Konfekt gekauft, ganz fabelhafte Ware, wirklich delikat, das wird man vermissen. Auch die Konfitüren. Also der Hofmann soll im Fleet gefunden worden sein, nur ein paar Schritte von seinem Haus. Verdammt nah dem rettenden Ufer, sozusagen. Sagen, ja. Was wollte ich doch sagen?»
    «Ihr wolltet sagen», hub Bocholt ungeduldig an, aber der Fliederfarbene wedelte schon abwehrend mit der Hand. «Ich weiß schon. Es heißt, er war stomdroken , wie wir bei uns in Amsterdam sagen. Ja, der Kerl war betrunken, ist aber nicht er-trunken. Es war nämlich Ebbe. Komisch, was?» Er lächelte zufrieden ob des passenden Wortspiels und vergaß hinzuzufügen, was er noch von dem Schlick gehört hatte.
    «Wahrscheinlich hat ihm einer eins über den Schädel gegeben», kam eine Stimme aus der Gruppe von Männern, die dem Schanktisch am nächsten stand, «das kann keinen wundern.»
    Claes Herrmanns sah sich um und reckte den Hals, aber der Sprecher war nicht auszumachen, was weniger am dichten Tabakqualm lag als am Gedränge.
    «Gut möglich», bestätigte der Amsterdamer mit wichtigem Gesicht, «gut möglich. Eine unserer Zugehfrauen wohnt in der Nachbarschaft der Hofmanns – was man da so redet! Ich will ja keine üble Nachrede verbreiten, aber es ist wohl wahr, dass der Hofmann – wie soll ich sagen?» Er lächelte süffisant. «Der Mann hatte zwar eine ansehnliche Meisterin zu Hause, aber …»
    «… aber die hat ihn nicht sattgemacht», rief der Teekrämer mit völlig deplatziertem Übermut dazwischen, «die Madam hat ihn einfach nicht sattgemacht.»
    Er spürte nicht nur Bocholts Blick, auch Claes Herrmanns, Weddesenator van Witten und Thomas Matthew, die gemeinsam an einem Tisch saßen, blickten ihn kalt an. Dies war eines der besseren, tatsächlich das vornehmste Kaffeehaus der Stadt; was man dachte, war hier das eine, was man sagte, in welchem Ton und insbesondere über ehrbare Frauen, etwas anderes. Der Teekrämer war noch recht neu in seinem Handel mit den Großen der Stadt, er wollte auch zukünftig erfolgreiche Geschäfte machen, also senkte er demütig den Kopf und murmelte etwas von nichts für ungut, er wiederhole nur, was man so höre. Er schob sich unauffällig im Gedränge weiter nach hinten und schwor sich, um diese frühe Stunde künftig auf Madeira zu verzichten.
    Doch als habe er einen Damm gebrochen, begann umgehend die allgemeine Erörterung der Qualitäten Bruno Hofmanns als Ehemann einerseits, als möglicher Ehebrecher andererseits, was einige Herren veranlasste,

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