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Die Nacht des Schierlings

Die Nacht des Schierlings

Titel: Die Nacht des Schierlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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die Vorräte kontrolliert, Listen erstellt, Notizen gemacht, überlegt, wie es weitergehen sollte, was sie brauchten, und zum großen Glück festgestellt, dass Geldsorgen überflüssig waren. Wenn keine unerwarteten, also nicht notierte Kreditgeber und noch zu begleichende große Rechnungen auftauchten, kamen sie gut über den Winter, selbst wenn ein großer Teil der Kundschaft ausblieb, was sie nicht befürchtete. Spätestens zum Jahreswechsel hatte sich alles wieder eingerenkt, war der Klatsch still geworden, waren auch die wirklich bösen Zungen verstummt. Sie würden weiter ihr Konfekt backen, ihre Kuchen und all die Köstlichkeiten. Auch Morsellen, vielleicht nahmen noch mehr Apotheken welche ab. Dann würde alles gut sein. Sie flüsterte es dreimal, das Gefühl der Beklommenheit blieb trotzdem. Vor ihr lag eine große Anforderung, ein Abenteuer. Mit ungewissem Ausgang? Nein! Warum? Sie verstand ihr Handwerk und Ludwig seines, ihre Mutter, Elwa, Sven, auch Gerdi und Marius, alle hatten ihren Anteil am Erfolg der Arbeit. Solange man sie die ungestört tun ließ, konnten sie es schaffen.
    Momme blieb etwa eine gute halbe Stunde bei ihrer Mutter. Molly wusste es nicht genau, sie achtete nicht auf die Schläge der Uhr. Als sie ihn die Treppe herunterkommen hörte, dazu die müderen Schritte ihrer Mutter, die ihn zur Tür begleitete und hinter ihm den Riegel vorlegte, waren Elwa und Sven gerade in ihre Kammern hinaufgegangen. Ludwig war schon gleich nach dem Essen ausgegangen und noch nicht zurück. Die Älterleute des Bäckeramtes hatten nach ihm geschickt, um Bericht von der Beerdigung zu bekommen. Sicher auch, um ihn auszufragen, was die Witwe nun mit der vakanten Meisterstelle vorhabe.
    Magda Hofmann trat in die Küche. «Es ist Zeit zu schlafen, Kind», sagte sie, es klang ein wenig automatenhaft, und setzte sich zu Molly. «Du trinkst Wein?»
    «Nur ein Glas. Es tut gut. Magst du auch eines?»
    Ohne eine Antwort abzuwarten, füllte sie ein zweites Glas und sah ihre Mutter prüfend an. Magda Hofmann war immer noch bleich wie ein Laken, die Augen im Kerzenlicht noch umschatteter als am Tag, aber sie strahlte nicht mehr diese Todesmattigkeit aus, die Molly und Ludwig auf der Rückfahrt gespürt hatten.
    «Mir geht zu viel im Kopf herum, Mutter, ich kann noch nicht schlafen. Da bin ich lieber hier unten und erledige, was sowieso erledigt werden muss, als mich in den Kissen herumzudrehen oder die Bibel zu lesen, ohne eine Zeile aufzunehmen. Alles ist gut geführt, nicht wahr?»
    «Hattest du Zweifel?»
    «Ich weiß nicht, ich habe nie darüber nachgedacht. Wenn ich es nun überlege: Nein, ich hatte keine Zweifel. Er war ein tüchtiger Meister. Aber nun», sie drehte ihr Glas in den Händen und überlegte, «nun müssen wir wissen, was in den Büchern steht. So ist es nun einmal. Und einige Vorräte aufstocken.»
    «Tatsächlich? Wir haben doch immer gleich ersetzt, was auszugehen drohte.»
    «Koriander ist bald aus, von dem Spanischen Pfeffer sind nur noch ein paar Krümel da. Wir brauchen auch erheblich mehr Tragant. Wenn ein großer Auftrag für die Dekoration einer Festtafel kommt», fügte sie trotzig hinzu, «brauche ich eine Menge davon für die Zuckerfiguren. Wie sollen sie sonst fest und formbar werden? Und was hältst du davon, wenn wir mehr Kaffeebohnen auf Vorrat legen, am besten auch Kakaobohnen? Sie werden schon nicht schimmeln, ich habe bei den Herrmanns eine gute Weise gelernt, sie zu lagern. Wir hätten dann immer genug, um auch mal größere Portionen zu rösten und zu mahlen. Und Ingwerwurzel, ich möchte mehr Ingwer verarbeiten, wie ich neulich schon sagte, du erinnerst dich sicher. Wenn es Winter wird, lieben die Leute schärfer würzige Konfektsorten. Das hat Vater immer gesagt, und er hatte recht. Im vergangenen Winter war es auch so.»
    Magda stellte ihr Glas ab und umfing Mollys Hände mit ihren. In ihren geröteten Augen standen Tränen, aber sie lächelte. «Du bis so voller Pläne», sagte sie, «so zuversichtlich und tüchtig. Das ist wunderbar. Ich werde tun, was ich kann, zu helfen. Wir werden es schaffen, Molly, nicht wahr?»
    «Schaffen? Ganz sicher. Wir können Aushilfen einstellen, besser auch noch einen guten Gesellen, wenn uns so viel Kundschaft bleibt, wie es zurzeit aussieht. Ludwig wird jemand wissen, dem er trauen kann. Vielleicht auch einer, der auf Wanderschaft ist. Ich habe von einem gehört, der für vier Monate in Itzehoe gearbeitet hat und hierher weiterwandern will.

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