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Die Nacht des Schierlings

Die Nacht des Schierlings

Titel: Die Nacht des Schierlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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«für ihn zu sprechen und …»
    «Wenn Jean ihn zu Wort kommen lässt», murmelte Helena dazwischen.
    «… und sich überhaupt an unserem Theater zu beteiligen. Eine ganze Reihe von Leuten werden ihm das verübeln und auf ihn herabsehen. Immerhin ist er ein Bürger, da schickt sich das nicht. Er hat doch den Bürgereid geleistet?»
    «Das hat er, Gesine. Aber der verbietet die Beteiligung an einem Theater nicht, und die Zeiten ändern sich», erklärte Rosina. «Ein bisschen jedenfalls. Nicht, dass sie uns plötzlich lieben, aber das Theater ist für eine ganze Reihe von Bürgern – na ja, es ist für sie nicht mehr unschicklich. Außerdem ist Magnus auf manchmal geradezu befremdliche Weise unabhängig von der Meinung anderer. Ich bin sicher, es macht ihm Vergnügen, mit Jean im Rathaus zu sein und die Schreiber zu verwirren, weil ein fahrender Theaterprinzipal von einem Bürger begleitet wird, wenn auch von einem nach dem Maß der Stadt unbedeutenden. Überhaupt ist Magnus doch meistens freundlich, das entspricht seiner Natur. Sonst würde er es gar nicht mit mir aushalten.»
    Helena hielt mit schweigend gespitzten Lippen ihr Gesicht in die Sonne, Gesine giggelte leise.
    «Ihr könntet so nett sein und wenigstens ein bisschen widersprechen», forderte Rosina. «Aber ich weiß schon, ich muss noch büßen, weil ich euch für so einen netten Mann verlassen habe. Aber nun seid ihr hier, ich bin hier, wir eröffnen zusammen ein Theater – alles ist zu einem guten Schluss gekommen.»
    «Anfang», korrigierte Helena und hob weise den Zeigefinger, «zu einem guten Anfang. Wer weiß, was daraus wird.»
    Gesine seufzte abgrundtief, und Rosina runzelte mit einem unwilligen Schnaufer die Stirn. «Das weiß man doch nie», sagte sie, «wie soll man es wissen, wenn man es nicht versucht.»
    «Wir versuchen es ja, und glaub mir: alle mit Freude. Auch wenn ich ein bisschen knurre», gestand Helena zögernd zu. «Das geht schon vorbei. Ich mag einfach keine großen Veränderungen.» Sie sah Rosina bedauernd an. «Wir haben schon ständig kleine. Wir ziehen von Stadt zu Stadt, von Gasthaus zu Kaschemme, immer neues Publikum, immer sind Erfolg wie Ertrag ungewiss. Wir schlafen häufig unter dem Wagen, im Sommer auch unter Bäumen, wir fangen jeden Tag neu an. Ich schimpfe oft darauf, aber jeder weiß: Das war mein Leben lang so, seit meiner Geburt, und ich kann es mir nicht anders vorstellen. Erst recht nicht, so zu leben wie du, immer im gleichen Haus.» Sie drückte leise lachend ihren Ellbogen in Rosinas Seite. «Obwohl ich dich manchmal beneide, das tue ich wirklich. Aber jetzt sind wir hier», als sie wieder die Schultern hob, sah es eher nach Unbehagen als Unentschiedenheit aus, «und werden lange hierbleiben. Vielleicht wird es gut. Wir werden ja älter, was, Gesine? Manchmal fürchte ich, dieses oder jenes Reißen kündigt schon die Gicht an, obwohl die angeblich nur reiche Pfeffersäcke bekommen.»
    «Wo ist eigentlich Muto?», fragte Rosina plötzlich.
    Das darauffolgende Schweigen dauerte kurz, jedoch lang genug, um Rosina wachsam werden zu lassen.
    «Er ist irgendwo in der Stadt», sagte Gesine, und Helena bestätigte: «Ja, das ist er wohl. Läuft herum und sieht sich alles an.»
    «In der Stadt, aha. Anstatt hier zu helfen? Ihr klingt, als tue er etwas Unerlaubtes. Ausgerechnet Muto?»
    «Nichts Unerlaubtes», widersprach Helena, «nur etwas Dummes.»
    «Florinde», stellte Rosina fest, und Helena und Gesine nickten. «Er ist verliebt. So etwas habe ich schon gehört. Oder beschützt er sie nur?»
    «Diese Mademoiselle braucht keinen Schutz, die passt verdammt gut auf sich selbst auf. Ich fürchte eher, Muto ist es, der Schutz braucht. Sag auch mal was, Gesine. Ich spinne doch nicht, oder? Jean sagt nämlich, ich spinne. Der fällt genauso auf sie rein wie Muto, na gut, nicht ganz so, das sollte er mal wagen, mein feiner Herr Gemahl! Nur Titus behält seinen klaren Blick, unser unvergleichlicher Titus.»
    «Findest du?», Gesine zupfte stirnrunzelnd ein Stäubchen von ihrer Näharbeit, «Rudolf liegt ihr auch nicht gerade zu Füßen.»
    «Fein beobachtet, Gesine, wirklich. Aber wer hat ihr gestern wieder das zarteste Stück Fleisch auf den Teller geschoben? Ist ja einerlei, reg dich nicht auf. Ich habe gar nichts gesagt. Rudolf ist ein braver Mann, niemand wird was anderes behaupten. Muto allerdings ist wirklich ganz närrisch mit dem Mädchen.»
    Die Sonne leuchtete immer noch vom Oktoberhimmel, wärmte auch

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