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Die Nacht des Schierlings

Die Nacht des Schierlings

Titel: Die Nacht des Schierlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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zu übernehmen, sie wäre viel lieber wie Magnus im Theater gewesen, das Probieren hatte sicher längst begonnen. Keine Zwiebeln, hatte Pauline ihr durch das Treppenhaus nachgerufen, davon habe sie genug, auch von Kräutern und Gewürzen.
    «Madam?» Die Fleischersfrau verzog missbilligend den Mund und wandte sich zwei anderen Frauen zu, die nach besseren Geschäften und rascheren Entscheidungen aussahen. Ihre Kleider und Hauben ließen auf Köchinnen wohlhabender Familien schließen, die waren ihr die liebsten Kundinnen. Manche gaben sich recht hochnäsig, als wären sie selbst die Herrschaft, so was färbte eben ab. Aber sie kannten sich aus, entschieden sich stets für gute Fleischstücke oder Würste, und wenn sie auch das Feilschen so gut verstanden, als gäben sie eigenes schwerverdientes Geld aus, bildeten sie die solide Grundlage für ihren und ihrer Familie Lebensunterhalt. Diese Frau mit der langen dünnen Narbe im Gesicht, deren Kleidung und Sprache nichts verriet als bescheidenes Bürgertum, die im Übrigen nie zuvor bei ihr gekauft hatte, sah plötzlich anderswohin, schien in Gedanken weit fort und nicht mehr an den delikatesten Würsten auf dem ganzen Hopfenmarkt interessiert.
    Was nicht stimmte, Rosina hatte nur kaum zwanzig Schritte entfernt Anne Herrmanns entdeckt. Ihre beste Freundin in der Stadt schob sich just mit Elsbeth, der Köchin und eigentlichen Herrin der Herrmanns’schen Hauswirtschaft, durch das Gedränge.
    Seit die Komödianten wieder in der Stadt waren, hatten sie einander viel zu wenig gesehen. Rosina wollte rasch die Würste kaufen, allerdings von denen auf französische Art aus Schweinefleisch und Schinken, gut gewürzt mit Muskat, Pfeffer, Nelken, Zimt und Majoran, und sich beeilen. Wenn sie Anne und Elsbeth einholte, hatten sie vielleicht Zeit für ein Viertelstündchen … Sie dachte den verlockenden Gedanken nicht zu Ende.
    Nur einen Schritt hinter den Köchinnen, die sich nun von der Schlachtersfrau Würste von Kälberkaldaunen mit Eiern, Kräutern und gehackten Zitronenschalen anpreisen ließen, saßen zwei Frauen auf einem Mäuerchen, kleinbürgerliche Matronen mit roten Gesichtern und schlechten Zähnen, die mit Einkäufen gefüllten Körbe auf den Schößen. Obwohl sie ihre Stimmen gesenkt hatten, erreichten ihre Worte Rosinas Ohr und ließen sie aufhorchen. Eigentlich war es erklärlich, wenn sie hier den Namen der Freundin hörte, die gerade hinter einer Bude mit Kellinghusener Fayencegeschirr und -kacheln verschwand, als Mitglied einer der ersten Familien der Stadt war Anne Herrmanns überall bekannt. Umso mehr, als ihre Heirat damals eine Menge Klatsch und Aufsehen produziert hatte. Doch was sie jetzt hörte, alarmierte Rosina, bevor sie die Bedeutung noch ganz erfasst hatte.
    «Ja, die arme Madam Herrmanns. Kann einem leidtun, oder? Du hast wirklich noch nicht davon gehört? Kaum zu glauben. Wenn man es bedenkt, also ich weiß nicht – ich finde, die Frauen sind selbst schuld, wenn der Ehemann Sperenzien macht.»
    «Sperenzien? Du meinst mit anderen Frauen? Der Herrmanns? Ausgerechnet! Dabei sagen alle, das ist mal ’ne gute Ehe, glücklich auch, man könnt’ neidisch werden. Er ist noch stattlich für seine Jahre, findest du nicht?»
    «Stattlich, genau, so sehen das andere auch, nicht nur seine Eheliebste. Aber das Schlimmste ist, wenn eins zum anderen kommt, ach ja», ein tiefer, aufgeregter Atemzug, eher genüsslich als bedauernd, «ja, es ist das alte Lied. Immer probieren, ob der Wein anderswo süßer schmeckt.»
    «Eins zum anderen? Was denn?»
    «Das ist doch klar. Zuerst hat das Mädchen im Frühjahr bei denen gewohnt. Nämlich, als die arme Madam Herrmanns so lange verreist war, das sollte eine kluge Hausfrau eben nicht machen, wirklich nicht, da müssen die Herren auf Ideen kommen. Auf Abwege, sage ich. Jedenfalls hatte sie auch noch die Köchin mitgenommen, genau, die eben bei ihr war. Da haben sie natürlich eine gebraucht, die derweil für ihre Mamsell die Töpfe rührt, aber wie die ausgerechnet auf die kleine Runge gekommen sind – ich weiß ja nicht. Die ist gut in süßen Sachen, alles andere – wie man hört, war das auch nichts. Und hat der Herrmanns die Jungfer wieder weggeschickt? Nee. Das hat doch wohl einen Grund gehabt, oder? Als gäb’s in der Stadt keine anderen Köchinnen. Und dann: Die hat bei den Herrmanns gewohnt, dabei ist ihr Zuhause am Rödingsmarkt nur ’ne Viertelstunde weit weg. Da macht man sich Gedanken. Ja, und jetzt ist

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