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Die Nacht des schwarzen Zaubers

Die Nacht des schwarzen Zaubers

Titel: Die Nacht des schwarzen Zaubers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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war das für ein Gefühl, mein Junge?«
    »Alles war so leicht, Herr Doktor. Als ob ich schwebte.«
    »Wollen Sie denn mehr?« Dr. Rank ging hinaus. Hansen folgte ihm.
    »Er hat ihn hypnotisiert, weiter nichts.«
    »Weiter nichts! Die Medikamente Ihrer pharmazeutischen Fabrik nehmen auch nur die Schmerzen weg. Ist das wirklich weiter nichts? Der Junge weigert sich, in ein Krankenhaus geflogen zu werden. Das ist natürlich unvernünftig, es müßte eine Bluttransfusion gemacht werden, er müßte Myleran bekommen, eine dauernde Leukozytenkontrolle wäre notwendig … aber wollen Sie den Jungen zwingen, in den Hubschrauber zu steigen?«
    »Sie reden, reden und reden!« rief Hansen erregt. »Wissen Sie was Besseres?«
    »Nein.« Dr. Rank ging aus dem Haus, setzte sich unter seine Fahnenstange und blies die Trompete.
    Tomamai stand plötzlich in der Tür des Zimmers, ohne daß jemand ihn gehört hatte. Er kam gewissermaßen in Zivil, ohne Federkleid, ohne den Kopfschmuck mit der Götterfratze, ohne Schlangenstab und Siedepfannen, ohne Kräuter und Wurzeln. Jetzt sah man, daß er ein uralter Mann war, runzelig und knochig. Er trug zu Ranks maßlosem Erstaunen alte fleckige Jeans, sogar Sandalen an den nackten Füßen und über dem Oberkörper ein fürchterliches, mit einer Seelandschaft bedrucktes amerikanisches Freizeithemd, das seinen faltenreichen Hals freiließ. Weiße Löckchen bedeckten seinen Schädel. Mit einem langen Blick musterte er die Anwesenden und sagte dann mit seiner dunklen Stimme: »Hinaus!«
    Gehorsam verließen alle den Raum, zuletzt auch Dr. Rank. Er blieb vor Tomamai stehen und schüttelte mit deutlicher Mißbilligung den Kopf. »Anders gefällst du mir besser«, sagte er. »Ist das noch aus deiner Sanitäterzeit?«
    »Ja«, antwortete Tomamai abweisend. »Sie tragen auch zerrissene Kleidung, Sir.«
    »Da ist was Wahres dran.« Rank lachte bitter und betrachtete die verblichene Seelandschaft auf dem Hemd. »Wir zwei alten Medizinmänner! Ich habe meinen Gin, und du deinen Götzen! Und alle Welt lacht über uns. Wir müßten Freunde sein, Tomamai.«
    »Wir sind es, Sir.« Tomamai nickte Volker zu, der ihm freudestrahlend zuwinkte. »Wir müssen über den Jungen sprechen.«
    »Ein Konsilium über tausend Jahre Medizin. Nur zu. Wann?« sagte Dr. Rank fröhlich.
    »Ich rufe Sie, Sir.«
    Dr. Rank blickte wieder auf das buntbedruckte Waikiki-Hemd, schüttelte dann den Kopf und schloß hinter sich die Tür. Die Familie Baumann erwartete ihn auf der Terrasse.
    »Ihr Halbgott scheint eine Schwäche für amerikanischen Pop zu haben«, sagte Hansen spöttisch. »Das haben Sie selbst nicht erwartet, was?«
    »Es freut mich!« Dr. Rank setzte sich auf die steinere Balustrade und dämpfte gewaltsam eine Lust, jetzt auf der Trompete ein jubelndes Halleluja zu blasen. »Er zeigt mir endlich, daß er ein Mensch wie ich ist. Darauf habe ich dreißig Jahre gewartet.« Und plötzlich wurde er sehr ernst. Er nahm Margas Hände. »Was wir hier tun, ist gegen alle Vernunft, aber die Vernunft hilft uns auch nicht viel.«
    »Ich freue mich, daß du gekommen bist«, sagte Volker. »Sie wollen mich unbedingt nach Mahé fliegen. Aber ich will nicht. Wenn mir einer helfen kann, bist du es.«
    »Du glaubst daran?« Tomamai setzte sich auf Volkers Bett. Er hielt die blakende Petroleumlampe nahe an den Kopf des Jungen und starrte in seine Augen.
    »Du mußt mich heilen«, sagte Volker leise. »Bitte …«
    »Es geht nur, wenn du daran glaubst.«
    »Ich glaube es, Tomamai. Ich glaube es ganz fest.«
    »Gib mir die Hand.« Tomamai streckte seine runzelige braune Hand vor. Die Oberseite war wie verbranntes Leder, die Handfläche schimmerte dagegen fast weiß.
    Volker sah sie wie etwas Bestaunenswertes an … dann legte er langsam seine Hand hinein und zuckte nur leicht zusammen, als sich Tomamais Finger wie Krallen um sie schlossen.
    »Hast du Angst?« fragte er.
    »Nein.« Volker lächelte krampfhaft. »Du hilfst mir doch.« Die linke Hand des Zauberers legte sich auf Volkers Leib. Dr. Rank hätte gesagt: Der alte Knabe weiß genau, wo die Milz liegt! Wo haben die Burschen bloß die anatomischen Kenntnisse her? Ob sie, wie damals die ägyptischen Priester, in ihren Tempeln Tote sezieren, um zu sehen, wie's drinnen aussieht?
    Tomamai schloß die Augen. Sein runzeliges Gesicht schien noch mehr zu schrumpfen. Auch Volker fielen die Augen zu, er wehrte sich dagegen, aber die Kraft, die fremd und warm durch seinen Körper strömte, war

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