Die Nacht des schwarzen Zaubers
legte ein paar Hebel um, und das Geräusch erlosch. Baumann blickte in den Turm. Er beobachtete Hansen, auf dessen Nacken der Schweiß stand. »Das war der Richtige«, sagte er heiser.
Hansen nickte. »Die Preßluftflaschen sind in Ordnung. Waren so gut verschraubt, daß nichts entwichen ist. Fluten und anblasen kann gelingen, ebenso das Torpedoschießen! Verdammt, hier ist alles, was im großen Boot sinnvoll verteilt war, auf ein paar Tafeln und Hebel konzentriert.« Hansen blickte auf. Der Schweiß stand in seinen Augenhöhlen. »Aber ich komme durch, Alex. Und du? Traust du dir zu, den Zossen zu steuern? Du im Maschinenstand, ich in der Zentrale?«
»Wie damals, Titus.« Baumann lächelte skeptisch. »Hätten wir das Ding bloß erst im Wasser!«
Einen ganzen Tag arbeiteten sie fast ohne Unterbrechung. Sie überprüften jedes Instrument, und noch immer wurden die E-Maschinen aufgeladen. Auf den Schalttafeln war jetzt Leben … die Lämpchen schimmerten, die Zeiger pendelten, das Boot war bis auf einige Kleinigkeiten klar. Ein neues Boot, 1945 hier abgelegt, bevor es zum Einsatz gekommen war. Eingefettet, konserviert und heute noch wie soeben aus der Werft geholt. Vor allem aber ein scharfgemachter Torpedo im Lauf. Baumann und Hansen sahen es an der Kontrollampe. Ein kleines rotes Licht oberhalb des Abschußhebels. »Mahlzeit!« sagte Hansen gepreßt. »Das Boot ins Wasser zu bringen, ist also ein Todeskommando.«
»Sie haben es an Land geschafft; das war nichts anderes, Titus.«
»Damals war Krieg!«
»Und was haben wir heute?«
»Wir wollten ein Paradies suchen, Alex!«
»Aimée wird ein Paradies sein, wenn das alles hier vorbei ist!« Baumann kletterte aus dem Turm und setzte sich auf den Süllrand.
»Wenn Volker hier geheilt wird, soll Aimée meine Endstation sein. Claudia wird Fred Dylon heiraten, der Junge kann nächstes Jahr auf Mahé das Gymnasium besuchen. Marga und ich, wir haben uns, dazu ein Haus, ein Stückchen Garten, und schließlich das Kapital unserer Liebe. Was wollen wir mehr? Und du?«
»Ich werde natürlich den guten Onkel spielen!« Hansen lachte. »Zukunftsmusik, Alex! Im Augenblick steht uns die harte Gegenwart bis zum Hals!«
Am Abend, bei einem glutroten Sonnenuntergang, wurde das Boot ins Wasser geschoben. Auf runden Baumstämmen, wie zu Urzeiten, wurde es Meter um Meter zum Strand gerollt, ganz vorsichtig, ganz langsam; jede starke Erschütterung mußte vermieden werden. Wie reagierte der scharfe Zünder des Torpedos? Was hatten die dreißig Jahre an ihm ruiniert? Hatte er sich von innen bereits zersetzt?
Später leuchteten wieder die Handscheinwerfer über das Zwei-Mann-U-Boot. Ganz langsam bewegte es sich auf den Rollen zum Meer. Das Geröll knirschte, ab und zu schwankte das Boot … dann standen Hansen und Baumann still und sahen sich groß an. Jetzt! Jetzt! Schlägt der Zünder irgendwo an? Vier Meter war das Heck noch vom Meer entfernt, als sich plötzlich Fred Dylon am Höllenloch auf Aimée wieder meldete. »Sie laden auf!« sagte er. »Seit Stunden schon. Sie haben vor der Platte geankert und haben Kräne ausgefahren. Mein Gott, was liegt alles in der Höhle! Das sind Waffen und Material für Millionen Pfund! Wenn sie so weitermachen, haben sie die Ladung gegen Morgen an Bord! Wie steht's bei euch?«
»Noch vier Meter bis zum Wasser! Es sieht gut aus, Fred. Hast du etwas von Marga und Volker gehört?«
»Vince war hier, vor drei Stunden. Sie halten sich tapfer! Tomamai hat zum Doktor gesagt, in einem halben Jahr sei der Junge gesund.«
»Ich glaube wieder an Wunder«, sagte Baumann leise. »Ich rufe an, wenn wir das Boot in See haben.«
Die letzten vier Meter waren eine Qual, doch dann tauchte das Boot ins Wasser und schwamm. Es kippte nicht um – es schaukelte leicht in der schwachen Dünung. Die Eingeborenen jubelten. Sie warfen die Arme hoch und tanzten am Ufer wie Besessene. Baumann und Hansen schwammen hinüber, kletterten an Deck und stiegen in den engen Zwillingsturm. Alle Kontrolleuchten flackerten, die E-Maschine war aufgeladen und konnte jetzt über das eigene Dieselaggregat immer wieder nachgeladen werden. Die Dieseltanks waren voll. Die Manometer der Preßluftflaschen standen auf voll.
Hansen atmete tief durch und setzte sich auf dem Kommandositz zurecht. Neben ihm hockte Baumann an der Maschinentafel. Der rote Abschußhebel lag genau in Brusthöhe. »Wollen wir?« fragte Hansen. Seine Stimme klang rostig.
»Ja, Titus!«
»Langsame Fahrt
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