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Die Nacht des Ta-Urt (German Edition)

Die Nacht des Ta-Urt (German Edition)

Titel: Die Nacht des Ta-Urt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Bödeker
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spürte, dass zwischen ihr und dem alten Mann eine stumme Übereinkunft herrschte, die er nicht teilen konnte, die er sich aber mit Elaine wünschte. Mehr wünschte als alles andere auf der Welt, mehr wünschte als er diese verdammten Flammen fürchtete.
    Er verfluchte sich selbst dafür, dass er hierhergekommen war, er verfluchte sich selbst dafür, dass er damals in diese Geschichte geraten war, er verfluchte sich selbst dafür, dass er damals, als er von dem Parkplatz weggerannt war auf dem Eckhardt Kathrin umgebracht hatte, dass er damals nicht viel weiter weggerannt war, weg aus dieser Geschichte, die ein Leben lang auf ihn gewartet hatte, ohne dass er es wusste.
    Er verfluchte sich dafür, dass er jetzt Elaine hinterher rannte.
    Aber er rannte ihr hinterher, so schnell er konnte.

 
    ***

 
    Gerade als Elaine dachte, dass die heiße Luft jeden Moment ihre Lungen platzen lassen würde, dass ihre Haare in der Hitze Feuer fangen und ihr Kopf verbrennen würde, dass die Glut der Fontäne, in die sie hinein lief, ihr die Kleider versengen und ihren Körper explodieren lassen würde, dass der Boden unter ihren Füßen sich in eine glühenden Strom aus Lava verwandeln und sie verschlucken würde, gerade als sie sah, dass das Feuermeer vor ihr den Mann aus der Vergangenheit verschluckt hatte, dass sie allein auf den sicheren Tod zurannte , gerade in diesem Moment hörte die Hitze schlagartig auf.
    Als wäre sie durch eine unsichtbare Wand gelaufen, stand sie plötzlich in einem anderen Raum.
    Es war angenehm kühl, die Luft schmeckte leicht staubig, wie in einem Raum, der lange nicht benutzt oder gelüftet worden war und deshalb weder einen besonderen Geruch noch Geschmack hatte.
    Sie blickte sich um.
    Das Feuer war weg.
    Vor ihr und hinter ihr erstreckte sich eine leere Weite ohne Gegenstände.
    Sie blickte zu Boden und schrie auf.
    Da war kein Boden.
    Unter sich sah sie nur dieselbe Leere wie um sich herum.
    Sie schwankte, ruderte mit den Armen und versuchte den Halt, den sie eben noch selbstverständlich empfunden hatte, wiederzufinden, aber da war nichts mehr unter ihr, ihre Füße hatten keinen Grund.
    Sie versuchte, den Sturz aufzuhalten.
    Umsonst.
    Sie drehte sich um sich selbst und begann in die Tiefe zu fallen.
    Sie schrie.
    Sie spürte das hohle Gefühl im Magen, dass sie noch aus einer Zeit kannte, als sie mit kindlichem Selbstbewusstsein von Bäumen und Dreimeterbrettern gesprungen war, aber diesmal wollte das Gefühl nicht aufhören. Es schoss ihre Kehle hinauf,   versuchte sich in einem nicht enden wollenden Schrei aus ihrem Mund zu befreien und drückte ihre Augen aus den Höhlen.
    Irgendwie musste sie den Sturz aufhalten, irgendwie sich anklammern an...
    Ja, an was?
    Sie schloss die Augen, schlug mit den Armen wild um sich und stürzte weiter in die grundlose Tiefe, in die Hölle aus Nichts, bis ...
    sie eine kräftige Hand unter ihrem rechten Arm spürte und ein beruhigendes Wort hörte, dessen Bedeutung sie nicht kannte, aber dessen Klang ihr für einen Moment inneren Halt gab.
    Sie öffnete die Augen wieder und stellte fest, dass sie in der Luft stand. Wieder blickte sie nach unten, und diesmal akzeptierte sie die Tatsache, dass unter ihr nichts war, kein Boden. Sie hielt sich allein durch ihren Willen, durch die Selbstverständlichkeit der Funktion ihrer Füße im Nichts.
    Neben ihr schwebte Wessel.
    Er lächelte sie freundlich an und sagte wieder etwas. Sie verstand nur dieses eine Wort: " Hagazussa ", von dem sie jetzt wusste, dass es "Hexe" bedeutete.
    Der Mann hatte ja recht , wenn sie schon eine Hexe war, dann konnte sie auch zaubern. Sie musste sich nur ständig daran erinnern, dass hier andere Dinge zählten als dort oben, in der Welt der Scheckkarten und Straßenbahnen, der Vernunft und der Beförderungsbedingungen.
    Sie musste lachen bei diesem Gedanken.
    Hier galten andere Beförderungsbedingungen , der einzige Fahrschein, der sie hier weiterbrachte, war das Selbstvertrauen, das Vertrauen in die Kräfte der eigenen Vorstellungskraft.
    Vorsichtig machte sie ein paar Schritte im Nichts und stellte fest, dass sie sich bewegen konnte, als hätte sie festen Boden unter den Füßen.
    Sie sprang hoch und konnte sich an der nicht existierenden Fläche unter ihren Füßen abstoßen.
    Aber als sie wieder herunterkam, stellte sie fest, dass sie wieder unter das Niveau abzustürzen begann, auf dem Wessel schwebte. Offenbar konnte man hier doch nicht willkürlich alles tun, was man wollte. Impuls

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