Die Nacht des Ta-Urt (German Edition)
Stille breitete sich aus. Im Kamin stürzte ein großer Block Feuerholz funkenstiebend in sich zusammen. Die Apothekerin wurde leichenblaß und erstarrte in ihrem tiefen Sessel. Ihre Augen hingen an Eckhardt, als erwarte sie, dass er aufstehen und sie schlagen würde. Obwohl die Anderen sitzen blieben, wie sie saßen, schienen sie von der Frau abzurücken. Eine unsichtbare Wand aus Kälte richtete sich gegen sie auf. Das norwegische Ehepaar ließ für einen Moment die Finger voneinander. Elaine schaute zu Eckhardt. Wie die anderen, bewegte er sich nicht. Aber zu ihrem Erstaunen, war sein Blick nicht auf die Apothekerin gerichtet. Er sah sie an. Ein fragender Ausdruck stand in seinen Augen.
Er schien sagen zu wollen: "Hast du das verstanden, kleines Mädchen?"
Aber noch bevor Elaine nachhaken konnte, beendete Eckhardt mit schneidender Stimme die Situation.
"Ich glaube nicht, dass wir das jetzt diskutieren sollten."
***
Als Elaine später nachfragte, um was es bei der Bemerkung der Apothekerin denn gegangen sei, erklärte Eckhardt ihr nach kurzem Zögern, dass die Kamingespräche nicht die einzigen Gelegenheiten seien, bei denen sich die Runde traf. Vielmehr kamen sie auch an verschiedenen, besonders energetisch geladenen Orten der Stadt zusammen, um einer längst vergessenen Gottheit zu huldigen.
"Es handelt sich dabei um mehr als um die lächerlichen Versuche halbgarer Eso -Freaks, ihr kümmerliches Leben etwas aufzuwerten, das kannst du mir glauben. Die Salbe von der die Leuberich sprach ist notwendig zur Herstellung einer Art Weihrauch, nichts weiter."
Mehr wollte er ihr nicht erzählen, das wäre schon mehr, als die meisten Leute wissen würden. Sie solle doch bitte schweigen darüber, vielleicht werde er sie einmal zu einer der Versammlungen mitnehmen.
Aber Elaine wollte nicht wissen, um was es bei ihrem Treffen ging, und Eckhardt spürte dies und schien es zu respektieren.
"Wenn du so weit bist ," sagte er.
***
In den folgenden Wochen begann Elaine, sich neben ihrem Studium intensiver mit Stadtgeschichte zu beschäftigen. Die Exkursionen mit Eckhardt hatten ihr Interesse geweckt. Nach der Universität saß sie häufig noch einige Stunden in den Räumen des Stadtarchivs, in der historischen Abteilung im Erdgeschoss. An manchen Tagen herrschte dort reges Treiben, aber meistens war der Lesesaal fast leer und nur der Diensthabende Archivar, ein kleiner, dürrer Mann mit dem Gesicht eines Hush-Puppies und der Ausstrahlung eines Kerkermeisters, drückte sich hinter seiner Theke herum. Seine Aufgabe bestand darin, von den wenigen Besuchern kleine Zettel entgegenzunehmen, diese mit dem Lastenaufzug nach unten zu schicken und auf die bestellten Urkunden zu warten, die einige Minuten später hochgefahren kamen. Aus den Stammbüchern, in denen alle Urkunden des Archivs verzeichnet waren, bestellte Elaine, was sie brauchte. Die Urkunden kamen dann nach einiger Zeit mit dem Lastenaufzug wieder nach oben in den Lesesaal, wo sie sie in Ruhe durcharbeiten konnte.
Sie fand heraus, dass die Stadt nicht zu den Hochburgen der Hexenverfolgungen gehört hatte, aber es hatte doch einige Fälle von Verurteilungen und Verbrennungen gegeben, und am Ende war es sogar zu revolutionsähnlichen Zuständen gekommen. Schon im Jahre 1451 war eine Frau als Hexe verurteilt und, dem Chronisten zufolge, auch hingerichtet worden. Im Jahre 1514 wurden dann elf Frauen die 'Schadenzauber' ausgeübt haben sollten, verhaftet. Man machte diese Frauen für den außergewöhnlich harten Frost, welcher im Winter dieses Jahres alle Wassermühlen zum Stillstand gebracht hatte, verantwortlich. Die angeklagten Frauen bekannten ihre Schuld und wurden an eben der Stelle, an der sich heute der Park befand, in dem ihr übel geworden war, verbrannt. 1532 wurde dann, der Chronik zufolge, im Nachbardorf Klotten eine Missgeburt mit den Füßen eines Bockes, Armen, die wie Henkel in das Fleisch gewachsen waren und zwei Augen vor der Brust, geboren. Der Grund für diese unglückliche Geburt, so die Schriften, sei ein Vergehen der Mutter gegen Gott gewesen. Zornigen Gemütes soll sie ihren Mann dahingehend verflucht haben, dass sie ihm einen lebendigen Teufel zur Welt bringen würde. Die Frau gestand erst nach mehrmaligen Folterungen, wurde zum Tode durch Verbrennen verurteilt, aber in der Nacht vor der Hinrichtung aus Gnade vom Henker erdrosselt. 1571 behauptete ein Mädchen von sich selbst, "vom Teufel besessen zu sein", ein Arzt wurde
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