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Die Nacht des Ta-Urt (German Edition)

Die Nacht des Ta-Urt (German Edition)

Titel: Die Nacht des Ta-Urt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Bödeker
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Einzimmerwohnung und eine Töle, die mit ihrem Gekläff das Gebäude zum Einsturz bringen würde.
    Sie blieb wie   angewurzelt zwischen 1420 und 1500 stehen und starrte nach oben. Ihr Nacken schmerzte schon nach einigen Sekunden fürchterlich, und dort oben war keine Bewegung auszumachen.
    Scheiße, selbst für einen ausgebildeten Wachhund hatte das Vieh aber die Ruhe weg.
    Nicht die kleinste Veränderung des Schattens, die auf eine Bewegung hätte schließen lassen.
    Ihr Nacken brannte wie Feuer. Sie senkte kurz den Kopf und hob ihn wieder.
    Die Schatten waren weg.
    Ohne Besinnung schrie sie laut auf. Nichts war mehr zu sehen, die Glasbausteine schimmerten nackt und gaben höhnisch eine durchgängig unbeschattete Fläche zum Besten. Sie verlor für einen Moment vollkommen die Kontrolle über sich, ruderte mit den Armen, riss Dokumente aus dem Regal, stolperte und versuchte sich im Fallen mit den Händen abzustützen. Dabei fiel sie mit dem Knie direkt auf ihre verletzte Hand, die, in die diese verfluchte Ratte ihre kleinen Zähne gebohrt hatte. Rote und grüne Kringel vor ihren Augen versuchten, sie in einen wunderbar verlockenden Strudel aus Ohnmacht und Vergessen zu ziehen, aber ihr Schreck war stärker. Sie stolperte über die am Boden liegenden Dokumente in Richtung Aufzug zurück. Immer wieder blickte sie nach oben, aber das schattenhafte Gespann war anscheinend verschwunden. Langsam dämmerte es ihr, dass sie hier unten von oben nicht unbedingt so einfach zu entdecken war wie umgekehrt. Schließlich standen der Wächter und sein Hund dort oben im Licht, während sie hier unten Schatten unter Schatten war.
    Sie blieb stehen und überlegte.
    Nur noch einige Meter Regal, dann wäre sie am Ziel gewesen. Mit einem Seufzer drehte sie sich um und ging zurück.
    So leicht wollte sie es sich nicht machen.
    Jetzt erreichte sie ziemlich schnell das Regal 1420 bis 1500.
    1500 bis 1570.
    1570 bis 1620.
    Hier, zwischen 1570 und 1620, mussten die Dokumente zu finden sein, die in den Stammbüchern verzeichnet waren, ihr aber von dem Archivar verweigert worden waren.
    Aber ihr Griff in das Regal bereitete ihr eine herbe Enttäuschung.
    Keine Dokumente, statt dessen hielt sie einen dieser in Bibliotheken üblichen Stellvertreter, die hingestellt wurden wenn ein Buch ausgeliehen war, in ihrer Hand. Sie nahm das Stück Pappe genauer in Augenschein und entzifferte mühsam:
    „Ausgelagert in U4 zur Restaurierung."
    So eine Scheiße, U4 hieß augenscheinlich Untergeschoss 4, es mussten sich also unter dem Keller weitere Räume befinden.

 
    ***

 
    Sie durchsuchte den Keller.
    Und sie hatte Glück. Schnell fand sie eine niedrige, mit einem schmiedeeisernen Gitter versehene Tür. Das Schloß an der Tür war so alt, dass sie sicher keinerlei Schwierigkeiten damit gehabt hätte, aber es war nicht einmal abgeschlossen.
    Mit einiger Kraft schob sie das Gitter beiseite und drückte die Tür in das Innere eines langgestreckten, niedrigen Ganges aus grobem Mauerwerk. Sie konnte nur etwa zwei Meter hinein sehen, dann endete der Gang in einer Wand von Dunkelheit.
    Sie brauchte endlich Licht. Eine weitere Runde ohne Licht würde sie nicht durchstehen.
    Wieder durchsuchte sie den Keller, bis sie in einer Ecke eine Teekanne, einige Teelichter und ein Einwegfeuerzeug fand.
    Sie steckte Teelichter und Feuerzeug in die Tasche ihres Sweatshirts und ging zurück in den Gang.
    Der Gang war so niedrig, dass ein ausgewachsener Mann sich   hätte bücken müssen, sie konnte gerade darin stehen. Trotzdem ging sie mit eingezogenem Kopf, ein brennendes Teelicht in der linken Hand balancierend, in die Dunkelheit hinein. Das Mauerwerk um sie herum bestand aus hellbraunen Ziegeln. Sie schätzte, dass dieser Gang bestimmt hundert Jahre alt war. Kellerasseln tummelten sich in den Ritzen zwischen den Ziegeln. Es war so feucht, dass sich teilweise kleine Pfützen auf dem Boden gebildet hatten. Schnell wurde es kühler.
    In einer kaum merklichen Neigung zog sich der Gang nach unten.
    Wenn sie den Keller mitrechnete, musste sie sich etwa zehn bis fünfzehn Meter unter der Erdoberfläche befinden und es ging weiter hinunter. In Abständen von etwa zwanzig Metern waren in die Wände Türen eingelassen, die in winzige, leere Räume führten.
    Das Wachs in ihrem Teelicht hatte sich inzwischen vollständig verflüssigt und das dünne Blech um die erhitzte Masse drohte ihr die Hand zu verbrennen. Vorsichtig zog sie den Ärmel ihres Sweatshirts über die Handfläche

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