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Die Nacht des Ta-Urt (German Edition)

Die Nacht des Ta-Urt (German Edition)

Titel: Die Nacht des Ta-Urt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Bödeker
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spazieren.
    Die ganze Sache entwickelte sich langsam zu einem Horrortrip. Das lange Warten in dem Verschlag dort oben, die plötzliche Dunkelheit und diese beschissene Ratte hatten, buchstäblich, ihr Nervenkostüm angenagt. Ihre Hand schmerzte dumpf von dem Splitter und sie hatte eine Scheißangst, in noch so einen verfluchten Fahrstuhl des Grauens einzusteigen. Fahrstühle des Grauens. Hatte sie nicht Mal einen Film mit so einem ähnlichen Titel gesehen?
    Sie war ganz kurz davor, wieder in Tränen auszubrechen. Sie bekam langsam Hunger und ihre Knie fingen an zu schlottern.
    Reiß dich zusammen, dachte sie, reiß dich jetzt ja zusammen. Das ziehst du durch hier.

 
    ***

 
    Sie hatte Glück, gleich neben dem Fahrstuhl fand sie einen dicken roten Knopf. Sie zwängte sich in die enge Kiste. Wie zusammengefaltet hockte sie hier wie einer dieser blöden Scherzartikel, die auf Kindergeburtstagen mehr Furcht als Freude verbreiteten. Wenn sie jetzt den Knopf drückte, würde eine Sprungfeder sie wie ein Spielzeug-Teufelchen hinaus und über die Theke hinweg zwischen die Tische schleudern.
    Sie drückte auf den Knopf und es ging los.

 
    ***

 
    Es ging hinunter in den Keller.
    Als der Aufzug stoppte, plumpste sie hinaus und fiel etwa einen halben Meter tief auf den Boden. Sofort stand sie auf und blieb stehen, um ihre Augen an die Dunkelheit zu gewöhnen. Wieder verfluchte sie sich, dass sie die Lampe verloren hatte.
    Langsam konnte sie sehen.
    Spärliches Licht fiel von oben durch die Decke. Sie blickte hoch. Über ihr befand sich dieser seltsame Fußboden aus Glasbausteinen. Die dicken Steine ließen grünlich schimmerndes Licht zu ihr hindurch.
    Sie musste sich also direkt unter dem Eingangsbereich des Gebäudes befinden.
    Ihre Laune besserte sich langsam wieder. Das Licht hier unten verbreitete eine Atmosphäre, wie sie sie von den riesigen Aquarien des Naturkunde-Museums her kannte. Es hatte etwas beruhigendes, als bewege sie sich durch nicht spürbares Wasser.
    Wirklich ein Glück, dass heute Vollmond ist, dachte sie.
    Vor ihr lag ein großer Saal mit Dutzenden von Regalen. Vorsichtig ging sie an den Reihen entlang. Hier lagen die Dokumente, nach alphabetischen und numerischen Kriterien   geordnet. Kleine Schildchen trugen Einträge wie "C 100 -350 / 900 – 1100", sie schloss daraus, dass in diesem Teil die Dokumente Nummer 100 bis 350 aus den Jahren 900 bis 1100 aufbewahrt wurden. Der Buchstabe C war anscheinend ein Kriterium zur Klassifizierung der Dokumente, sie konnte aber nichts weiter damit anfangen. Damit würde sie sich notfalls auseinandersetzen, wenn sie das Regal mit Dokumenten aus der Zeit um das Jahr 1600 gefunden hatte. Dokumente, die ihr Aufschluss über die vierte Nacht des Verhörs geben würden .
    Langsam ging sie an den Regalen entlang und versuchte die Schilder zu entziffern.
    1100 bis 1250.
    1250 bis 1300.
    1300 bis 1370.
    1370 bis   ...
    Sie bemerkte, dass es plötzlich um eine Winzigkeit dunkler in ihrem Gesichtsfeld geworden war.
    Als wäre sie in einen Schatten getreten.
    Sie brauchte einen Moment, bis sie begriff, dass die Unterbrechung der Lichtquelle nur von oben kommen konnte. Langsam drehte sie ihren Kopf nach oben.
    Durch die dicken Glassteine hindurch sah sie direkt über sich einen unbeweglichen Schatten. Nein, es schienen eigentlich eher zwei Schatten zu sein, die ineinander verschmolzen waren. Ein etwas länglicher und ein gedrungener, fast runder Schatten. Zusammen sah das Ensemble wie ein großes Semikolon aus, dass sich oben auf das Glas gelegt hatte.
    Sie hielt die Luft an und erstarrte in ihrer Position.
    Nichts tat sich.
    Vielleicht handelte es sich um einen Stuhl und ein Tisch oder sonst etwas, was da oben herumstand. Von hier unten sah alles so aus, als blicke man durch eine leere Weinflasche, konkrete Gegenstände waren unmöglich zu erkennen.
    Sicher nur irgend etwas , was da herumstand.
    Sie ging weiter die Reihe entlang.
    1370 bis 1420.
    1420 bis 1500.
    Sie blickte wieder nach oben.
    Der Schatten war direkt über ihr.
    Das konnte nicht sein, sie war einige Meter gegangen. Sie blickte zurück, kein Schatten über der Stelle, von der aus sie vorhin nach oben gesehen hatte.
    Verdammte Scheiße, verdammte Scheiße, verdammte Scheiße, dachte sie, das war bestimmt einer der Nachtwächter, und der längliche Schatten war sicher so ein blöder Köter. Das fehlte ihr auch noch, ein übereifriger Behinderter mit Werksvertrag und Rambo -Videos in seiner

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