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Die Nacht des Ta-Urt (German Edition)

Die Nacht des Ta-Urt (German Edition)

Titel: Die Nacht des Ta-Urt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Bödeker
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machten ihm Angst. Er dachte, dass er bald dort hinauf müsste, um Rechenschaft abzulegen, aber er wusste nicht, warum er das dachte. Die Sterne blitzten, als wollten sie ihn rufen. Noch nie hatte er sie so deutlich gesehen und noch nie hatte er über sie nachgedacht. Seine Mutter hatte ihm, als er noch ein dummes Kind war, erzählt, dass die Sterne Löcher im himmlischen Firmament seien, durch die hindurch das Licht des himmlischen Paradieses scheine. Das Paradies war ganz erfüllt vom göttlichen Licht, und weil Gott die Menschen liebte, hatte er seinen Engeln befohlen, Löcher in das riesige Tuch zu bohren, dass seit dem Sündenfall über der Erde ausgebreitet war.
    "Wenn ein Stern blinkt ," so hatte sie gesagt, "dann hat gerade ein Engel durch das Loch auf die Erde geschaut."
    Barnabas ahnte, dass etwas Wahres an der Kindergeschichte war.
    In der Ferne hörte er einen Hund den Mond anheulen und das Geräusch machte ihn plötzlich ganz fröhlich und zuversichtlich.
    Ja, natürlich, er musste doch zu seinen Hunden.
    Obwohl er gar nicht gewußt hatte, dass er Hunde hatte, schien es ihm plötzlich, als habe er diese Tiere schon lange vermisst, und das Heulen verriet ihm, dass sie ihn auch vermissten.
    Er stieß sich von der Wand ab und ging in Richtung des Heulens. Dicht an den Wänden der windschiefen Häuser entlang ging es zum Marktplatz.
    Als er am Marktplatz angekommen war, sah er auf der Mitte des Platzes einen großen, dunklen Berg. Das waren die Leichen der Männer, die man tot in ihren Betten gefunden hatte. Sie lagen dort zur Mahnung, dass ein ungeheuerliches Verbrechen aufgeklärt werden musste. Es stand keine Wache dabei, weil man die giftigen Ausdünstungen fürchtete. Aber Barnabas sah, dass zwei riesige Hunde um den Berg herum streunten und an den Leichen schnüffelten.
    Das waren die Hunde seines Herrn, die ihn gerufen hatten.
    Er wollte zu ihnen, aber als er gerade auf der Höhe des Rathauses angekommen war, bemerkte er, dass sich da drinnen etwas tat.
    Er blieb stehen und blickte durch die dicken Glasscheiben.
    Große Pechfackeln und ein riesiger Kerzenleuchter an der Decke der Halle beleuchteten die Szenerie. Er konnte Männer erkennen, die andere Männer und Frauen durch die Halle zerrten um hinter einer Tür in den Keller zu verschwinden. Das Schreien und Klagen der Abgeführten mischte sich mit den befehlenden Rufen der Soldaten des Rates.
    Einer der Soldaten kam plötzlich direkt vor dem Fenster zum Stehen, hinter dem Barnabas horchte . Die Scheibe verdunkelte sich und verwandelte sich in einen Spiegel, in dem plötzlich der Marktplatz zu sehen war und ...
    Barnabas sah das Gesicht des Fremden. Aus blutunterlaufenen Augen blickte es ihn an.
    Entsetzt drehte er sich um.
    Aber es stand niemand hinter ihm.
    Er drehte sich wieder der Scheibe zu, aber der Soldat war weitergegangen, das dicke Fensterglas war wieder durchsichtig und er sah nur noch einen undeutlichen Flecken, sein eigenes Gesicht.
    Was war das gewesen? Wie hatte der Fremde ihn entdeckt, und wie war er so plötzlich wieder verschwunden? Was wollte er von ihm? Es war offensichtlich, dass er Barnabas verfolgte, aber was wollte er von ihm? Sie hatten in der Scheune miteinander gekämpft, aber trotzdem ahnte Barnabas, dass der Fremde ihm wohlgesonnen war. Vielleicht lag nur ein Mißverständnis zwischen ihnen vor. Er hatte das deutliche Gefühl, dass der Fremde ihm schon auf dem Kampfplatz, während dieses seltsamen und grauenvollen Traumes, zur Seite gestanden hatte. Wie anders hätte er sich die außerordentlichen Kräfte erklären können, die er damals so plötzlich entwickelt hatte? Sicher, er war stark, aber nie vorher hatte er wirklich gekämpft. Er war Bauer, kein Soldat. Aber dort hatte er plötzlich genau gewußt , wie er sich bewegen musste um einem plötzlichen Angriff zu entkommen, und wo man zuschlagen musste, um den Gegner mit einem Hieb zu töten.
    Er war sich sicher, dass der Fremde ihm das gezeigt hatte.
    Aber er wusste nicht, wie er das in der kurzen Zeit geschafft hatte. Der Mann war sicherlich ein Magier.
    Von der anderen Seite des Marktes her erklangen plötzlich Schritte und undeutliches Stimmengemurmel. Barnabas ging vom Fenster weg und hockte sich in eine Ecke, in die das Licht, das aus den Fenstern fiel, nicht hingelangen konnte.
    Er sah drei Männer näherkommen. Einen Soldaten des Rates, auf dem Kopf einen Helm und bewaffnet mit einer Hellebarde, einen Mann im grauen Kleid des Stadtboten und einen Mann, den er

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