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Die Nacht des Ta-Urt (German Edition)

Die Nacht des Ta-Urt (German Edition)

Titel: Die Nacht des Ta-Urt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Bödeker
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funktionieren, wie er es früher getan hatte. Ein ständiger Hunger quälte ihn, andauernder Durst machte seine Kehle rauh , und die unbändige Geschlechtslust überfiel ihn, wann immer sie wollte. Wenn er sein Gesicht in den schmutzigen Pfützen betrachtete, die das Tauwetter der letzten Tage überall hinterließ, dann sah er, dass dicke Säcke unter seinen Augen hingen, seine Haut grau geworden war und seine Pockennarben anschwollen. Seine Fingernägel begannen, sich langsam aus ihrem Bett zu lösen, gelber Eiter quoll unter ihnen hervor. Vor einigen Tagen hatte er sich am Arm gekratzt, weil es ihn juckte. Mit Entsetzten hatte er feststellen müssen, dass es sein eigenes Fleisch war, was da unter seinen Nägeln hing. Er hatte sich tiefe Furchen in das mürbe Fleisch des Armes gegraben, braunes Blut sickerte hervor und einer seiner Nägel steckte noch im Arm.
    Er wurde zunehmend unansehnlich.
    Einige Meter vor ihm öffnete sich eine Tür und ein junges Mädchen trat auf die Gasse.
    Barnabas drückte sich erschrocken gegen die Wand. Sein Körper verschmolz mit der Wand und der Dunkelheit.
    Das Mädchen wandte sich nach dem inneren des Hauses um und rief ein Gute Nacht hinein, dann lief es eilig die Gasse hinunter.
    Barnabas blieb gegen die Wand gelehnt stehen. Sein Herz klopfte vor Aufregung. Er hatte das Mädchen nur kurz gesehen, aber wie schön war sie gewesen. Sie war vielleicht zwölf Jahre alt. So zart und jung war sie, dass ihm das Wasser im Mund zusammenlief und ein warmes Gefühl in seine Lenden strömte.
    Ihm kam die Magd in den Sinn. Sie war ihm plötzlich so wunderbar erschienen, wie eben dieses Mädchen, obwohl er doch genau wusste, dass sie eigentlich nur eine ganz gemeine Frau war, krumm von der Arbeit und mit derben Gesichtszügen. Aber in seinen Augen war sie plötzlich das herrlichste Geschöpf der Welt gewesen, und er hatte sie unbedingt anfassen wollen.
    Seltsam, wenn er jetzt daran dachte, dann so, als habe er nur dabeigestanden, als ein Anderer sich von hinten dem Mädchen näherte, als sie in der Scheune das Vieh mit Futter versorgte. Dieser Andere hatte sich langsam an sie herangeschlichen, aber sie hatte ihn gehört und geschrien, als sie ihn sah. Sie musste ihn doch erkannt haben, dachte Barnabas, schließlich war es nicht das erste Mal, dass ihr Herr sich ihr näherte.
    Aber wie? Was dachte er da? Es war ja der Andere gewesen, da war klar, dass sie sich erschreckt hatte.
    Aber in ihren Augen hatte Barnabas trotzdem sehen können, dass sie sich zu Tode fürchtete, und dabei hatte er nur versucht, sie zu halten um ihr einen Kuss abzufordern, als ihr Arm brach wie ein dürrer Zweig.
    Barnabas war so erschrocken gewesen, dass er sie losgelassen hatte.
    Ach nein, was dachte er da wieder? Er selbst war ja nur dabeigestanden und hatte den Beiden zugesehen, und der Fremde hatte losgelassen, weil Barnabas ihm in den Arm gefallen war .
    Ja genau. So war es gewesen.
    Aber das dumme Weib hatte IHN beim Dorfschulzen angezeigt, ihren Herrn, der sie immer gut behandelt hatte.
    Barnabas schluchzte auf bei der Erinnerung an diese Ungerechtigkeit. Hatte sie ihn denn nicht bemerkt, wie er den Fremden zurückgehalten hatte? Hatte sie nicht gesehen, wie er sich mit ihm auf dem Boden der Scheune im Kampf wand , während sie entkommen konnte?
    Deutlich hatte er in den Augen des Fremden die Mordlust brennen sehen.
    Er hatte ihr das Leben gerettet und zum Dank hatte sie ihn angezeigt.
    Um ihr zu erklären, dass sie ihn zu Unrecht beim Schulzen angezeigt hatte, war er ihr dann einige Tage später auf den armseligen Hof ihrer Eltern gefolgt, von wo er sie vor Jahren weggeholt hatte. Er hatte in der Dunkelheit gewartet, bis sie nachts hinauskam, um ihre Notdurft zu verrichten. Aber als er sie dort hinter der Scheune hatte hocken sehen, war wieder die Lust in ihm hochgestiegen und mit einer Hand an seiner Lanze hatte er gewartet, bis sie fertig war. Als sie ihn gesehen hatte, hatte sie versucht, wegzulaufen, aber da war plötzlich wieder dieser seltsame Fremde erschienen, und der hatte sie schnell erwischt.
    Barnabas bekam Kopfschmerzen, wenn er daran dachte. Undeutlich erinnerte er sich, wie der Fremde den schlaffen Körper der Magd in ein Gebüsch hinter der Scheune gezerrt hatte und wie er, Barnabas, dann schnell weggelaufen war.
    Weiter konnte er sich an nichts erinnern.
    Er stand wieder allein in der stillen Gasse, das junge Mädchen war verschwunden.
    Er blickte hinauf zum Himmel. Die unzähligen Sterne über ihm

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